Alleine oder mit Partner gründen?
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Solo-Chef oder Teamplayer?

Von der zündenden Geschäftsidee über die optimale Zusammenarbeit bis hin zu beendeten Geschäftsbeziehungen: Vier Unternehmer sprechen über die Erfahrungen, die sie bei der Gründung ihres Start-ups gemacht haben. Und über die Chancen und Risiken, wenn man die eigene Firma mit Geschäftspartnern aufziehen will.

«Beim Austritt von Co-Foundern ist das FuckUp-Potenzial am grössten»

Fabian Graf, Faitron

«Die Idee einer beheizbaren Lunchbox kam mir und meinem Schulfreund 2012 am Gymnasium. Das Patent haben wir dann während unseres HSG-Studiums angemeldet. Investoren fanden wir jedoch keine – weshalb mein Kollege 2015 einen Schlussstrich zog. Ich habe dann bewusst wieder nach einem Geschäftspartner gesucht. Ich wollte jemanden, der diese Leidenschaft für die Idee mit mir teilt und Dynamik in die künftige Firma reinbringt. Fündig wurde ich bei einem Kollegen aus dem Fussballclub. Mitte 2016 konnten wir die ersten Investoren für uns gewinnen und mit der Faitron AG loslegen.

Gründer zahlen 6 Monate keine Abo-Gebühr

Der Swisscom StartUp-Vorteil setzt an dem Punkt an, der bei der Firmengründung am meisten Bauchschmerzen verursacht: die Finanzierung. Mit dem StartUp-Vorteil nutzen Neugründer das Swisscom Paketangebot mit Internet, Telefonie, Mobile und Service – oder auch nur einzelne Bestandteile davon – für ein halbes Jahr kostenlos.

Doch leider ist mein Geschäftspartner Ende 2018 ausgestiegen. Wir wurden uns nicht einig darüber, ob unsere HeatsBox smart sein sollte oder nicht. Apps im Kitchen-Appliance-Bereich waren kaum verbreitet – was sich aber schnell und unerwartet geändert hat. Daher bin ich mir sicher: Vieles in einem Start-up kann man schlichtweg nicht antizipieren. Aber man kann die Folgen beeinflussen, wenn ein Geschäftspartner das Unternehmen verlässt. In dieser Phase ist das Potenzial, aus persönlicher Empfindung zu scheitern, am grössten. Wer sich lange mit internen Angelegenheiten beschäftigen muss, verliert den Fokus auf den Markt, auf das Produkt, auf das Wachstum. So gefährdet man unter Umständen den eigenen Unternehmenserfolg. Deshalb sind klar definierte Austrittsvereinbarungen das Allerwichtigste, um im Ernstfall in kurzer Zeit zu einer Lösung zu kommen.

Wir hätten sicher noch detaillierter über solche Austrittsvereinbarungen sprechen können. Und so war das Ausscheiden meines Partners zuerst natürlich ein Schock. Man versteht sich privat gut und geht automatisch davon aus, dass es auch geschäftlich funktionieren wird. Heute weiss ich, dass das leider nicht immer der Fall ist. Diese Krise entwickelte sich dann aber zur Chance: Durch seinen Weggang intensivierte sich die Zusammenarbeit mit dem Verwaltungsrat, in den inzwischen auch neue Mitglieder eingetreten sind.»

Über Faitron

Die Faitron AG mit Sitz in Zürich wurde 2016 gegründet und hat sich auf mobile Lösungen zur Erwärmung von Lebensmitteln spezialisiert. Dazu gehören die smarte und marktreife HeatsBox wie auch die Babyflasche BabyBoo, die als voll funktionsfähiger Prototyp entwickelt wurde.

«Ein Start-up mit Geschäftspartnern ähnelt einer Ehe»

Viktor Calabrò, Coople

«Sich auf einen oder mehrere Co-Founder einzulassen, ähnelt ein bisschen einer Ehe: Unter Umständen hat man ganz unterschiedliche Erwartungshaltungen darüber, wie der gemeinsame Weg aussehen soll. Bei mir und meinem ersten Geschäftspartner war es nicht anders. Wir waren uns nicht einig, wie schnell sich Coople entwickeln soll und wie hoch das Commitment für die Firma sein soll. Damals befand sich Coople noch in einem sehr frühen Stadium. So haben wir uns relativ schnell darauf einigen können, die Partnerschaft zu beenden. Sein Austritt aus der Firma war allerdings eine rein geschäftliche Entscheidung. Wir haben uns damals auch nicht zerstritten und stehen heute immer noch in Kontakt zueinander.

Ich habe mich schon immer als Teamplayer gesehen. Deshalb habe ich zwei Jahre später zwei andere Geschäftspartner mit ins Boot geholt. Es braucht Leute, deren Fähigkeiten komplementär sind und auf welche die Zuständigkeiten in der Firma klar verteilt werden können. Auch die Investoren schauen bei Finanzierungsrunden sehr hartnäckig aufs Team und seine Qualitäten. Schliesslich wollen sie ja auch Risiken minimieren. Natürlich gibt es zwischen mir und meinen Co-Foundern auch Meinungsverschiedenheiten. Und ja, manchmal wünscht man sich auch, die Firma allein gegründet zu haben. Das erachte ich aber als völlig normal. Man sieht diese Leute mehr als die eigene Familie. Natürlich gewinnt das Zwischenmenschliche so an Bedeutung, und es entstehen auch Konflikte oder Missverständnisse. In solchen Situationen sind eine solide Vertrauensbasis und der gegenseitige Respekt das A und O. Das sind meiner Meinung nach Dinge, die sich kaum wiederherstellen lassen, wenn sie einmal verloren gegangen sind.»

Über Coople

Coople wurde 2009 vom mehrfach ausgezeichneten Unternehmer Viktor Calabrò gegründet. Die Firma betreibt die weltweit grösste Just-in-time-Personalplattform. An den Standorten Zürich und London beschäftigt das Unternehmen rund 120 Mitarbeitende und betreut über 400 000 registrierte Arbeitnehmer in der Schweiz und Grossbritannien. Unter anderem wurde Coople schon mit dem «Most Successful Young Enterprise»-Award von Venturelab ausgezeichnet und zum «Top 3 Internet Startup» von Top 100 Startups ernannt.

«Für unsere Zusammenarbeit bin ich einfach nur dankbar»

Martina Brunner, Blend – Academy of Makeup Artistry

«Mein Geschäftspartner Philipp Keusen und ich unterrichteten an der gleichen Visagistenschule, und wir teilten genau die gleiche Vision einer Makeup-Academy. Daher sagten wir uns: jetzt oder nie. Kurz darauf fanden wir geeignete Räumlichkeiten, die wir ausgebaut haben. Gleichzeitig arbeiteten wir am Businessplan und unserem Kursangebot, richteten Social-Media-Kanäle und unsere Website ein. Am 1. Februar 2018 gründeten wir die BLEND – Academy, im April feierten wir unsere Eröffnung. Und nur einen Monat später begrüssten wir unsere erste Klasse.

Anhand unserer Kompetenzen – ich in BWL, Philipp in der Grafik – teilen wir uns die Entscheidungsmacht in der Academy. Am Anfang war das noch recht schwierig, da es manchmal zu Doppelspurigkeiten kam. Heute sind unsere Rollen in der Visagistenschule aber klar verteilt. Ich verspüre auch nicht den Wunsch, alles selbst zu entscheiden. Schliesslich entlastet mich Philipp auch mit seinem Engagement. Eine BLEND – Academy ohne Philipp kann ich mir nicht vorstellen – für das schätze ich ihn einfach viel zu sehr.

Auch als Inhaber der BLEND – Academy sind wir beide noch zusätzlich als Freelancer tätig. So kommt es, dass wir manchmal 14 Tage am Stück arbeiten. Im Vergleich zu anderen haben wir deshalb sicher weniger Zeit für unsere Freunde und Familien. Auch wenn das Private manchmal auf der Strecke bleibt: Ich möchte meinen Beruf um nichts in der Welt aufgeben. Ich liebe meine Arbeit, liebe den Kontakt zu Kunden, zu Artisten, zu unseren Coaches an der Visagistenschule, schätze den gemeinsamen Austausch, auch mit Philipp. Weil die Firma unsere Leidenschaft ist, haben wir so viel Energie, um all diese Arbeit unter einen Hut bringen zu können.»

Über die BLEND – Academy for Makeup Artistry

Die BLEND – Academy for Makeup Artistry wurde 2018 gegründet und beschäftigt 7 Mitarbeitende. Die Visagistenschule mit Sitz in Bern bietet ein aufbauend gestaltetes Lernprogramm mit verschiedenen Modulen, die sich Teilnehmende bei der Ausbildung zum Makeup-Artist individuell zusammenstellen können. Gründerin und Inhaberin Martina Brunner ist zudem als freischaffende Makeup-Artistin tätig.

«Die Selbstständigkeit gehört zu den grossartigsten Erfahrungen meines Lebens»

Boris Baldinger, Boris Baldinger Photography

«Wie für viele andere war die Fotografie für mich am Anfang nur ein Hobby – bis ich zweifacher Vater wurde. Mir fehlte zunehmend die Zeit, um mich als Informatiker in der schnelllebigen IT-Branche auf dem Laufenden zu halten. Auch mehrere Stellenwechsel konnten nichts daran ändern, dass mich im Beruf andere im Eiltempo überholten. Die Frustration war gross, und so tat ich 2014 etwas, was für mich lange Zeit unvorstellbar gewesen war: Ich ging zu meinem Chef und sagte ihm, dass ich kündige und mich als Fotograf selbstständig mache.

Durch meine Arbeit konnte ich ein grosses Netzwerk an Kunden und Kollegen aufbauen – und lernte auch meine heutigen Geschäftspartner kennen. Nachdem wir gemeinsam ein Instameet – ein Networking-Event rund um Fotografie und Instagram – ins Leben gerufen hatten, entstand die Idee einer eigenen Influencer- und Content-Agentur. 2017 war Meetmaker geboren. Aus meiner Tätigkeit als selbstständiger Fotograf heraus entstand als zweites Standbein ein Start-up mit zwei Geschäftspartnern.

Gemeinsam an etwas zu arbeiten und zu sehen, was man zusammen alles erreicht, ist für mich etwas ganz Besonderes. Diese Momente schätze ich sehr bei Meetmaker. Nichtsdestotrotz bleibt die Fotografie meine grosse Leidenschaft. Ich gehe nach wie vor wahnsinnig auf in meiner Tätigkeit. Daher empfinde ich die Fotografie nicht als Arbeit, sondern als meine Passion, der ich mich voll und ganz hingeben kann. Inzwischen weiss ich: Wem die Selbstständigkeit so viel Freude und Erfüllung bereitet, der hat auch automatisch genug Ehrgeiz und Motivation, um Durststrecken zu überstehen.

Egal, ob mit oder ohne Geschäftspartner: Wagt den Schritt in die Selbstständigkeit! Es ist eine der grossartigsten Erfahrungen, die ich in meinem Leben machen durfte. Ich bin selbstsicherer geworden, habe einen klareren Blick auf die Dinge und die Welt, habe einen besseren Umgang mit Geld, bin gelassener geworden – geschäftlich, wie auch privat. Die Selbstständigkeit hat mein Leben geprägt.»

Über Boris Baldinger und Meetmaker

Seit 2015 arbeitet Boris Baldinger als selbstständiger Business-Fotograf und Visual Storyteller für Grossunternehmen, KMU oder Einzelunternehmer. Zudem ist Baldinger Dozent, Referent und Keynote Speaker rund ums Thema Fotografie und Social Media.

Meetmaker ist eine Agentur für Influencer Marketing und Content Creation, die 2017 in Zürich gegründet wurde. Spezialisiert auf die Themen Food, Tourismus und Freizeit, bietet Meetmaker Firmenkunden Social-Media-Workshops und entwickelt Content- wie auch Influencer-Marketing-Strategien. Meetmaker ist zudem Veranstalter des regelmässig stattfindenden #InstaMeetZH.

6 Tipps fürs Gründen mit Co-Founder

Startups.ch empfiehlt in Zusammenarbeit mit Jana Nevrlka, Autorin von «Co-Founding the right way» folgende Punkte:

Klarheit schaffen und die Ressourcen definieren, welche für die Realisierung der eigenen Vision / des eigenen Geschäftsplans notwendig sind

▪ Rollen und Verantwortlichkeiten müssen innerhalb des Gründungsteams klar definiert und kommuniziert werden

▪ Jedes Mitglied kennt die Kernwerte und den Kontext jedes Mitgründers

▪ Alle Vereinbarungen sind für jeden Mitgründer klar und verständlich

▪ Jeder Mitgründer weiss, was passiert, wenn ein Mitgründer das Unternehmen verlässt

▪ Jeder Mitgründer weiss, unter welchen Umständen das Team die Aufnahme neuer Mitglieder in Betracht ziehen würde

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