Blitzlenkung auf dem Säntis

Mehr als 400 Mal pro Jahr schlägt auf dem Säntis ein Blitz ein. Damit ist er einer der elektrisierendsten Berge der Schweiz – und der perfekte Ort für Forscher, eine neue Form von Blitzableitern zu testen. Denn seit Benjamin Franklin vor fast 300 Jahren den Blitzableiter erfunden hat - einen geerdeten Metallmast – hat sich in dem Bereich praktisch nichts getan. Doch jetzt ist Science Fiction angesagt: Mit einem Hochleistungslaser, der durch Ionisierung der Luft einen leitfähigen Kanal erzeugt, sollen Blitze umgelenkt werden.

Die Blitzkanone

Swisscom Broadcast stellt den Wissenschaftlern ihre Infrastruktur zur Verfügung – schliesslich besitzt nicht jeder ein Haus und einen Sendemasten auf dem legendären Wetterberg. Der 124 Meter hohe Metallmast von Swisscom Broadcast auf dem Gipfel des Säntis ist eines der Bauwerke mit den meisten Blitzeinschlägen in ganz Europa und damit der perfekte Ort für dieses Experiment.

Von Juni bis Ende September, der Hochsaison für Gewitter, werden die Forscher den Laser auf Gewitter richten und seine Fähigkeit testen, Blitze durch die Erwärmung und Ionisierung der lokalen Luft zu lenken. Der Laserstrahl wird in die Nähe der Antennenspitze gerichtet. Er zieht Blitzentladungen an und leitet sie zum konventionellen Blitzableiter des Mastes weiter. Blitzmessinstrumente, die von verschiedenen Universitäten permanent auf dem Säntis betrieben werden, sorgen zusammen mit dem sogenannten "interferometric Lightning Mapping Array" und Hochgeschwindigkeitskameras für die Blitzdiagnostik.

Jean-Pierre Wolf, Professor der Universität Genf und einer der führenden Blitzexperten weltweit, will die Gewitterwolken auf zweierlei Arten unschädlich machen: Entweder löst er innerhalb der Wolke Blitze aus, die gar nicht erst den Boden erreichen, und entlädt die Wolke so lange, bis sie friedlich ist. Oder er leitet die Blitze mit dem Laser zu einem gewöhnlichen Blitzableiter – in diesem Fall in den Blitzableiter auf dem Sendemasten von Swisscom Broadcast. Der Test läuft bis im Herbst. Dann haben die Wissenschaftler ausreichend Daten gesammelt, um zu entscheiden wie es weitergeht. "Ich weiss zwar nicht, ob unser Experiment funktionieren wird", gesteht Wolf. "Aber wir waren noch nie so nahe dran."

Logistische Meisterleistung

Der Laser selbst ist acht Meter lang und zwei Meter breit – das Aussenteleskop nicht mitgerechnet, mit dem der Laser auf die richtige Distanz fokussiert wird. Er wird in einem klimatisierten, wasserdichten Zelt auf dem Areal der Swisscom installiert. Der Aufbau hat im Mai begonnen. Da der Gipfel des Säntis nur mit einer Seilbahn zu erreichen ist, musste das Laser-Pointing-System per Helikopter transportiert werden. Doch aufgrund von schlechtem Wetter und starken Winden musste der Flug mehrfach verschoben werden.

«Der Säntis wird nicht ohne Grund "Wetterberg" genannt. Schnee, starke Winde, Turbulenzen – hier oben herrscht ein raues Klima.»

Walter Haas, Regionleiter Swisscom Broadcast

Die Gefahr aus dem Himmel

Jährlich sterben weltweit zwischen 6 000 und 24 000 Menschen durch Blitze. Sie sind auch die Ursache für Stromausfälle, Waldbrände sowie Schäden an Elektronik und Infrastruktur in Milliardenhöhe. Immer noch haben viele sensible Standorte wie Kernkraftwerke und andere kritische Infrastrukturen einen unzureichenden Blitzschutz, denn ihre Blitzableiter müssten riesig sein. So aber besteht die Gefahr, dass ihre elektronischen Systeme durch direkte oder nahe Blitzeinschläge beschädigt werden. Gewitter legen zudem jedes Jahr Flughäfen lahm, was zu Verspätungen oder gestrichenen Flügen führt. Deshalb haben Wissenschaftler von diversen Universitäten das Projekt Laser Lightning Rod (LLR) ins Leben gerufen. Wenn das entwickelte System erfolgreich ist, wäre das ein bedeutender Durchbruch in der Blitzforschung.

«Jetzt müssen wir nur noch auf schlechtes Wetter hoffen.»

Jean-Pierre Wolf, Professor Universität Genf

Die Köpfe hinter LLR

Die École Polytechnique (Paris, Frankreich), die Universität Genf (UNIGE, Schweiz), Trumpf Scientific Lasers (München, Deutschland), André Mysyrowicz Consulting (AMC, Frankreich), die EPFL (Schweiz), die Haute école d'ingéniérie et de gestion du canton de Vaud - HEIG-VD (Schweiz) und die HES-SO (Schweiz) haben sich zusammengeschlossen, um das Projekt Laser Lightning Rod (LLR) durchzuführen. Der Laser wurde von der deutschen Firma Trumpf entwickelt.

Weitere Informationen auf www.llr-fet.eu(öffnet ein neues Fenster).

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