Das Kernbankenradar von Swisscom in Zusammenarbeit mit dem Business Engineering Institute St. Gallen (BEI) beobachtet seit 2017 die Systemunterstützung von Banken und analysiert anhand eines umfangreichen Beurteilungsmodells die relevantesten Systeme für den Schweizer Markt. Hierzu wurden bereits 15 Kernbankensysteme gründlich untersucht und dokumentiert. In diesem Artikel betrachten wir die Transformationsprogramme von ERI (Olympic Banking Systems), Finnova, Finstar, und TCS BaNCS, welche wir aus Interviews mit den Herstellern aufbereitet haben.
19.05.25, Text Tanyel Tunçer, Christine Popp, Clemens Eckert und Thomas Zerndt 10 Min.
Die Bankenplattformen befinden sich in einem Transformationsprozess, der auf veränderte Kundenbedürfnisse, regulatorische Anforderungen und technologische Innovationen reagiert.
Ursprünglich als monolithische Kernbankensysteme (KBS) konzipiert, erfolgte über die Jahre eine schrittweise Modernisierung – von der Einführung der Echtzeitverarbeitung und serviceorientierten Architekturen hin zu flexiblen, modularen und API-gesteuerten Systemen. Diese Entwicklung ermöglicht es Banken, sämtliche bankfachlichen Funktionen effizient abzudecken und gleichzeitig nahtlose Interaktionen innerhalb eines integrierten Service-Ökosystems zu realisieren.
Gegenwärtig verfolgen KBS-Anbieter in der Schweiz unterschiedliche Transformationsstrategien: während einige auf eine vollständige Transformation mit Cloud-nativer Microservices-Architektur setzen, bevorzugen andere einen progressiven, iterativen Ansatz oder die gezielte Modernisierung einzelner Komponenten. Ergänzt wird dies durch Kooperationen mit Neo Core Anbietern, die moderne, schlanke Systeme bereitstellen. Schlüsselbereiche wie Hyperautomation, Datenmanagement, Sicherheitsmechanismen und flexible Infrastrukturmodelle (On-Premise, Private und Public Cloud) stehen dabei im Fokus.
Insgesamt zielt die Weiterentwicklung der Bankenplattformen darauf ab, den steigenden Anforderungen eines digitalisierten und vernetzten Marktes gerecht zu werden, neue Geschäftsmodelle zu ermöglichen und gleichzeitig die Effizienz und Skalierbarkeit der Systeme zu optimieren.
Die Bankenplattformen in der Schweiz befinden sich in der Transformation. Kernbankensystem (KBS)-Anbieter initiieren Transformationsprogramme, um auf die zunehmenden Anforderungen der Digitalisierung und des Wettbewerbsdrucks zu reagieren und ihre Bankenplattformen für die Zukunft zu rüsten - von dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) bis zu Embedded Banking Services.
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass KBS einst als Softwarelösungen starteten, die primär grundlegende Aufgaben wie die Verwaltung von Kundendaten, die Abwicklung von Transaktionen und die Buchführung über einen Zentralrechner übernahmen. Diese monolithischen Systeme waren nur während der Schalterzeiten zugänglich und führten Transaktionen am Tagesende per Batch-Verarbeitung aus. Zwar war dieses Modell effizient, doch es erwies sich als unflexibel – insbesondere, da die Echtzeitfähigkeit und Interoperabilität fehlte, um mit den wachsenden Geschäftsanforderungen Schritt zu halten.
Mit der nächsten Generation der KBS hielt daher die Echtzeitverarbeitung Einzug. Dies ermöglichte schnellere Transaktionen, eine stärkere Produktorientierung, mehr Transparenz und einen verbesserten Kundenservice. Banken begannen, die Entwicklung spezialisierter Systeme auszulagern, um gezielt bestimmte Produkte oder Produktgruppen abzudecken. Die Einführung serviceorientierter Architekturen und N-Tier-Modelle förderte unter anderem flexiblere Systemdesigns und ebnete den Weg für Online-Banking und digitale Prozesse. Die Weiterentwicklung erstreckte sich über sämtliche bankfachlichen Bereiche – von Zahlungsverkehr, Kreditmanagement und Vermögensverwaltung bis hin zu Portfolio-Management, Vorsorgeprodukten und Finanzierungslösungen. Hinzu kamen geschäftsprozessunterstützende Komponenten wie regulatorische Berichterstattung, Kundenbeziehungsmanagement, Hypothekenverwaltung oder Betrugserkennung. Trotz der Einführung modularer Softwarelösungen nahm die Komplexität zu, insbesondere bei der Integration verschiedener Systeme.
Im Laufe der Jahre ist daher das Angebot erheblich gewachsen – heute decken Kernbankensystemanbieter in der Schweiz alle bankfachlichen Funktionen einer Bank ab. Damit wuchs das Offering der Anbieter von einst einem KBS zu einer Ende-zu-Ende Bankenplattform. Zu den etablierten Bankenplattformen in der Schweiz zählen insbesondere Avaloq, Finnova, Finstar, Olympic Banking Systems von ERI, TCS BaNCS und Temenos. Gleichzeitig stehen die Anbieter unter dem Druck, ihre Lösungen auch kontinuierlich weiterzuentwickeln.
Parallel dazu treten – wie in Schaubild 1 dargestellt – zunehmend Neo Core Banking Anbieter auf den Markt. Der grösste Unterschied liegt in der Offenheit und Modularität dieser Systeme: Neo Cores werden Cloud-nativ entwickelt, basieren auf modernen technologischen Standards und bieten eine flexible Architektur. Zwar ist ihr Funktionsumfang derzeit noch begrenzt (meist auf Kontoführung, Zahlungen und Karten), wächst jedoch kontinuierlich und stellt so perspektivisch eine mögliche Alternative zu traditionellen KBS dar – bis dahin ist es jedoch noch ein langer Weg. Zusammenfassend zeigt der Markt eine steigende Modularisierung und Öffnung der Systeme.
Schaubild 1: Digitalisierung der Finanzindustrie - Grundlagen der Fintech-Evolution
Quelle: Eigene Darstellung, angelehnt an Alt und Puschmann (2016) S.161
Aus den geführten Interview mit den Herstellern ERI (Olympic Banking Systems ), Finnova, Finstar, und TCS BaNCS lassen sich folgende Treiber und Beweggründe für die Transformationen der Bankenplattformen ableiten:
Kunden erwarten heute eine hohe Convenience und unmittelbare Verfügbarkeit von Finanzdienstleistungen: Event-getriebenes Handeln, On-Demand-Services und die nahtlose Verfügbarkeit von Daten sind zentrale Anforderungen.
Die Rolle von Daten in der Servicegestaltung gewinnt weiter an Bedeutung. Banken stehen vor der Herausforderung, Kundendaten intelligent auszuwerten, um personalisierte und kontextbezogene Dienstleistungen bereitzustellen. Gleichzeitig setzt der technologische Fortschritt, insbesondere durch Generative KI (Künstliche Intelligenz), neue Massstäbe im Datenmanagement (z.B. Conversational SQL).
Neue Datenbanktechnologien und Technologien wie KI und Cloud Computing mit Managed Services eröffnen neue Möglichkeiten für das umfassende Re-Engineering von Bankensystemen. KI findet Anwendung in der Automatisierung von Prozessen, der Bereitstellung personalisierter Empfehlungen und der Betrugsprävention.
Moderne Ansätze wie API-First-Strategien, agile Arbeitsmethoden, DevSecOps und Microservices verbessern die Skalierbarkeit und Flexibilität der Systeme, was Banken hilft, sich schneller an sich wandelnde Marktbedingungen anzupassen.
Diese Technologien durchdringen dabei alle Bereiche eines Bankensystems – vom Frontoffice über das Backoffice bis hin zu unterstützenden Prozessen.
Im Rahmen des Kernbankenradars haben wir Gespräche mit vier führenden Kernbankensystemanbietern in der Schweiz geführt, um deren Herangehensweise an den Transformationsbedarf zu verstehen: ERI (Olympic Banking System), Finnova, Finstar und Tata Consulting Services (TCS BaNCS) (alle im Anhang 1 kurz beschrieben). Die Interviews zeigen, dass die Transformationsstrategien der Anbieter stark von ihrer jeweiligen Historie und ihrem Kundenstamm geprägt sind. Dennoch lassen sich übergreifende Hauptstrategien erkennen, die die zukünftige Evolution der KBS und Bankenplattformen in der Schweiz massgeblich beeinflussen werden.
Eine vielversprechende Lösung für die meisten KBS-Anbieter ist die (1) progressive Entwicklung und damit iterative Transformation der Plattform. Zwei KBS-Anbieter, die diese Strategie verfolgen sind ERI und Finstar.
Diese Strategie ermöglicht, von internationalen positiven wie negativen Marktentwicklungen zu lernen, während gleichzeitig Kundenanforderungen des Schweizer Marktes berücksichtigt werden. Dies führt jedoch zu einer verlangsamten Time-To-Market. Alternativ kann die (2) Modernisierung bestehender Systeme durch die Neuentwicklung bestimmter Komponenten eine Strategie darstellen. Programme wie finnova.neo zeigen, wie durch gezielte umfangreiche Updates und die Einführung neuer Technologien ein Bankensystem transformiert werden kann, ohne dass ein kompletter Neubau erforderlich ist.
Eine weitere Strategie ist der (3) vollständige Neubau bzw. eine Legacy Modernisierung durch Refactoring der Bankenplattform. Refactoring bedeutet dabei die Umstellung des Quellcodes, ohne dass die Funktionalität verloren geht. Aufgrund der Komplexität der Implementierung ist dies eine anspruchsvolle Lösung. Die Kosten einer vollständigen Transformation werden durch die KBS-Anbieter auf 500 Millionen bis 1 Milliarde Franken geschätzt, womit sich diese Strategie vorwiegend für international agierende Kernbankensystemanbieter wie TCS eignet.
Schaubild 2: Gegenüberstellung der Transformationsstrategien der KBS-Anbieter
Eine weitere Möglichkeit wäre die (4) Kooperation mit einem sogenannten Neo Core Banking System wie 10x Banking, TUUM, Thought Machine oder Mambu. Neo Cores bieten grundlegende Bankdienstleistungen wie Kontoführung, Karten und Kredite unter Nutzung moderner Technologien. Sie bieten jedoch noch Einschränkungen, insbesondere in Bereichen wie Wertschriften-Transaktionen, Positionsführung und Corporate Actions, was ihre alleinige Anwendbarkeit für vollumfängliche Bankoperationen einer mittleren oder grösseren Universalbank aktuell noch einschränkt.
Angelehnt an die Struktur der Bausteine für die IT-Architektur der Zukunft (siehe Core Banking Radar – Systemunterstützung für Banken | Swisscom) führen die Erkenntnisse aus den Interviews mit den Anbietern zu folgende Thesen:
Dies ermöglicht einerseits unterschiedliche Sichten für Endkunden und Service-Mitarbeitende und andererseits eine austauschbare Benutzeroberfläche, die je nach Bedarf ersetzt oder erweitert werden kann.
Ein typisches Beispiel für Hyperautomation ist die automatisierte Transaktionsprüfung: Eingehende Zahlungen werden auf Konsistenz geprüft, während KI-Modelle ungewöhnliche Muster – etwa potenziellen Betrug – erkennen. Fehlerhafte Angaben, wie falsche Empfängerkontonummern, werden automatisch korrigiert oder zurückgewiesen, falls eine Korrektur nicht möglich ist. Komplexe Fälle, die weder durch Regeln noch durch KI gelöst werden können, werden an den menschlichen Support eskaliert.
Der Zugang zu Daten gewinnt zunehmend an Bedeutung. KBS-Anbieter experimentieren mit und implementieren moderne Datenbanktechnologien wie NoSQL, Data Streaming und Big Data-Systeme. Ein gemeinsames Ziel von allen KBS-Anbietern ist das Anbieten von (offenen) Schnittstellen, um einerseits den Banking Services Zugang zu Daten zu ermöglichen sowie anderseits Embedded Banking ausserhalb einer Bank zu ermöglichen.
Diese unterschiedlichen Ansätze zielen darauf ab, neue Geschäftsmöglichkeiten zu erschliessen – etwa durch KI-gestützte Services, Embedded Banking, eine 360-Grad-Kundensicht durch die Integration unstrukturierter Daten oder schnellere Transaktionen in Echtzeit.
Während einige KBS-Anbieter am Monolithen festhalten, streben andere bereits eine Ablösung in den nächsten Jahren an.
Grundsätzlich steht bei allen KBS-Anbietern Cyber Security, Datenschutz und der sichere Zugang zu Daten wie Kunden-, Valoren- oder Produktstammdaten im Vordergrund.
Zu beachten sind die Verschärfungen der regulatorischen Anforderungen. Das FINMA-Rundschreiben 2023/1 betont die Relevanz von Cyber-Sicherheit und Datenzugriffsmanagement, während EU-Vorgaben wie der Digital Operational Resilience Act (DORA) zusätzliche Anforderungen mit sich bringen.
Mit dem Core kann auch künftig das steuerrelevante Kundenreporting sowie die Aufbereitung für das Legal Reporting sichergestellt werden.
Schaubild 3: Gegenüberstellung der Strategien der KBS-Anbieter
Trotz dieser unterschiedlichen Ansätze bleibt die Flexibilität bei allen wichtig, um Kunden die Integration ihrer bevorzugten Provider und Strategien zu ermöglichen.
Die Transformation der KBS ist unabdingbar, um den aktuellen und zukünftigen Anforderungen des Bankensektors gerecht zu werden. Während monolithische Systeme durch ihre Stabilität und umfangreiche Funktionalität beeindrucken, erfordern der technologische Fortschritt, veränderte Kundenbedürfnisse und regulatorische Vorgaben eine Neuausrichtung hin zu flexibleren, skalierbaren und offenen Lösungen.
Die untersuchten Transformationsstrategien – von der schrittweisen Modernisierung bestehender Systeme, über die Einführung einzelner neuer Komponenten bis hin zum vollständigen Neubau – verdeutlichen, dass es keinen einheitlichen Ansatz gibt. Stattdessen finden Kernbankensystemanbieter individuelle Wege, die ihre strategischen Ziele, Marktanforderungen und Kostenrahmen berücksichtigen. Zentrale Prinzipien wie Modularität, offene Schnittstellen, KI-Nutzung und Nachhaltigkeit bilden dabei die Basis für zukunftsorientierte Bankenplattformen.
Abschliessend bleibt festzuhalten, dass die Transformation der Bankenplattform nicht nur eine technische Aufgabe ist, sondern eine strategische Notwendigkeit, um Banken für das digitale Zeitalter fit zu machen. Eine klare Vision, kombiniert mit gezielten Investitionen und partnerschaftlicher Zusammenarbeit, wird den Erfolg dieser Transformation massgeblich beeinflussen.
Finnova ist eine etablierte Schweizer Lösung und im Einsatz bei mehr als 100 Retail-, Regional- und Privatbanken. Finnova unterstützt die Kundenzentrierung mit Funktionalitäten zur Erstellung einer 360-Grad-Sicht auf die Kundschaft und Segmentierung anhand von transaktionalem Verhalten (wie beispielsweise Frequent Traveller). Neben ihren Kernfunktionalitäten rund um die Transaktionsverarbeitung zeichnet sich Finnova durch diverse Partnerschaften im Ecosystem aus (beispielsweise SecuChat Suite von jemmic zur Kundenkommunikation oder Loan Advisory von Inventage als vollintegrierte Komponenten), um kundenorientierte Funktionsanforderungen abzudecken.
TCS BaNCS ist das Kernbankensystem der indischen Tata-Gruppe. Diese hat den Anspruch, sämtliche Funktionsanforderungen selbst abzudecken. Das System verfügt über eine hohe Modularisierung, ist cloud-ready und bietet ein nutzungsabhängiges Lizenzmodell. Neben Banken zählt TCS BaNCS auch Versicherungen zu seinen Kunden. Der Servicebereich Zahlen wurde zuletzt in Microservices abgebildet, Anlegen und Finanzieren folgt aktuell. Zudem hat TCS stark in Distributed Ledger Technologie und APIs investiert.
Finstar ist ein offenes Schweizer Kernbankensystem, das flexibel parametrisierbar und mehrsprachig durch das Entwicklerteam der Hypothekarbank Lenzburg aufgebaut wurde und heute für andere Banken und Finanzdienstleister als SaaS zur Verfügung steht. Die eigentliche Basis (ohne Umsysteme) von Finstar ermöglicht den vollständigen Bankbetrieb für eine einfache kleine Bank. Finstar konzentriert sich darauf, die passenden Bausteine bereitzustellen, welche ihren Kunden das Optimieren bestehender Geschäftsmodelle ermöglichen. Darüber hinaus strebt Finstar über die weitere Öffnung und Einbindung von FinTechs die Unterstützung von neuen Geschäftsmodellen wie z.B. Embedded Banking-Services an. Mittels offener Schnittstellen bietet Finstar sowohl Fintechs als auch bankfremden Unternehmen im Rahmen von BaaS vielfältige Dienstleistungen in den Bereichen Konten, Zahlungsverkehr, Kreditanbahnungsprozesse oder Karten an.
Olympic Banking Systems ist ein von ERI entwickeltes und verkauftes Kernbankensystem, das nationale- und internationale Privat- und Universalbanken bedient. Vom klassischen Lizenzierungsgeschäft herkommend ist OLYMPIC Banking System heute für internationale Banken auch als SaaSOffering beziehbar. Die service-orientierte Architektur rund um einen gewachsenen Kern mit über 5'600 Services erlaubt die Integration mit anderen Systemen. So können beispielsweise Kryptos als Vermögenswerte verbucht werden. In der Entwicklung von APIs hält sich OLYMPIC Banking System an Industrie Standards.
Alt, R., & Puschmann, T. (2016). Digitalisierung der Finanzindustrie. In Springer eBooks.
https://doi.org/10.1007/978-3-662-50542-7
Business Engineering Institute St. Gallen. (2025). Competence Center 11.1 Future Financial Services.