Interview
Crowdlending – die Finanzierung eines KMU-Kredits via Crowdfunding – wächst in der Schweiz. Warum es mehr Geldgeber als Kreditnehmer gibt, sich die Banken aber trotzdem keine Sorgen machen müssen, erklärt Andreas Dietrich, Herausgeber des Crowdfunding-Monitors Schweiz.
Hansjörg Honegger,
Dialogue Magazin: Sie veröffentlichten den neuen Crowdfunding-Monitor 2016 vor einigen Tagen. Was ist Ihnen besonders aufgefallen im Vergleich zu anderen Jahren?
Andreas Dietrich: Der Markt ist wieder gewachsen im Rahmen wie wir das vorhergesagt haben. Jetzt stehen wir bei einem Volumen von rund 27,5 Millionen Franken.
Das ist nicht wirklich beeindruckend.
Der Markt steckt in den Kinderschuhen, weist aber zum Teil hohe Wachstumszahlen auf. Crowdinvesting für Immobilien hatte letztes Jahr gerade mal einen Case, dieses Jahr sind wir aber bereits auf einem Volumen von rund 7 Millionen Franken. Crowdlending im KMU-Bereich nimmt ebenfalls Fahrt auf.
Crowdlending – also ein Kredit für eine Firma via Crowdfunding – ist stark gewachsen. Von welchem Potenzial reden wir in der Schweiz?
Das kann ein dreistelliger Millionenbetrag sein.
Das ist noch nicht richtig berauschend im Vergleich zu den USA oder Grossbritannien.
Stimmt, aber das sind andere Finanzsysteme. Die Hausbanken-Beziehung wie bei uns gibt es in den USA und Grossbritannien viel weniger. Dort gehen auch kleinere Firmen oftmals direkt an den Kapitalmarkt.
Den Unternehmern ist das System nicht so fremd wie hierzulande?
Genau. Es gibt wenige Länder auf der Welt, in denen die Wahrscheinlichkeit, dass man als KMU einen Kredit von einer Bank bekommt, grösser ist, als in der Schweiz.
Grosszügige Banken?
Nun ja, viel eher sind die Firmen sehr gut aufgestellt und das Ausfallrisiko für die Banken entsprechend klein.
Lassen Sie uns mal etwas konkret werden. Ich habe eine Firma, brauche Geld für neue Infrastruktur und möchte nicht zu einer Bank gehen. Was muss ich tun, um mit Crowdlending Geld zu bekommen?
Sie müssen sich bei einer der vier Plattformen bewerben, die in der Schweiz KMU-Kredite anbieten. Hier reichen Sie die üblichen Unterlagen ein wie Geschäftsbericht und Finanzkennzahlen und müssen erklären, wofür Sie das Geld brauchen. Ihre Angaben werden von den Plattformen geprüft. Falls alles in Ordnung ist, wird das Projekt aufgeschaltet. Je nach Plattform ist das Ausschreibungsverfahren unterschiedlich.
Inwiefern?
Bei gewissen Plattformen gibt es ein Rating wie bei einer Bank. Je schlechter das Rating, desto höher der Zins. Die andere Möglichkeit praktiziert beispielsweise Cashare: Auch da gibt es ein Rating mit einem Zinsvorschlag. Hier können die Geldgeber aber um den Kredit bieten, also niedrigere Zinsen offerieren.
Dieser Markt spielt trotz des kleinen Volumens?
Dieser Markt spielt extrem, zumindest in den Auktionsverfahren. Hier gibt es deutlich mehr Investoren als Kreditnehmer.
Warum?
Die Zahlen sprechen für sich: Wir hatten bei dieser Kreditart in den vergangenen sechs Jahren ein Ausfallrisiko von etwa ein oder zwei Prozent. Gleichzeitig wurde ein Zins von rund 6 Prozent geboten. Wo kriegt man das schon? Das ist für Investoren hoch interessant.
Welche Vorteile hat der Kreditsuchende im Vergleich zu einem Bankkredit? Zinsen und Abklärungen dürften sich in einem ähnlichen Rahmen bewegen.
Es gibt Leute, die aus Prinzip keinen Kredit von einer Bank aufnehmen wollen. Zweitens besteht natürlich die Hoffnung auf einen niedrigeren Zins. Kommt dazu, dass die Banken eigentlich gar nicht besonders interessiert sind an Krediten bis 200'000 Franken, weil die Kosten vergleichsweise hoch sind und sich das nicht rechnet.
Andreas Dietrich im Gespräch mit Autor Hansjörg Honegger.
Gibt es eine optimale Grösse für einen Kredit via Crowdlending?
Bis 200'000 Franken sind realistisch. Wegen der 20er-Regel ist ein Kredit über einer Million fast nicht zu machen. Ausserdem sind die Banken bei einem Kredit in dieser Grössenordnung sehr konkurrenzfähig. Eine interessante Möglichkeit bietet sich meiner Meinung nach aber bei sehr viel höheren Krediten, sagen wir 15 Millionen. Hier könnte die Bank den Lead übernehmen, 10 Millionen selbst bezahlen und den Rest über eine Crowdlending-Plattform auftreiben.
Gibt es solche Formen der Finanzierung bereits in der Schweiz?
Nein, aber es ist ein Projekt in Arbeit.
Lassen Sie uns noch auf die angesprochen 20er-Regel kommen. Können Sie kurz erklären, worum es da geht?
Die 20er-Regel steht in der Bankenverordnung: Wenn jemand von mehr als 20 Leuten Geld entgegennimmt, handelt er wie eine Bank und muss auch so behandelt werden. An sich keine schlechte Regel, die aber dem Gedanken von Crowdfunding komplett widerspricht.
Diese Regel gilt für Investing und Lending?
Nein, für Investing gilt diese Regel nicht. Die Regulierung ist nicht einheitlich. Im Crowdlending verhindert sie neue Business-Modelle eher. Im Crowdinvesting gibt es meiner Meinung nach eher zu wenig Regeln.
Was müsste der Gesetzgeber tun, damit Crowdfunding in der Schweiz noch mehr Fahrt aufnehmen könnte?
Beim Crowdlending müsste sicher die 20er-Regel fallen. Aber ob Crowdfunding in der Schweiz wegen einer besseren Regulierung durchstarten würde, wage ich zu bezweifeln.
Trotz aller kulturellen Vorbehalten: Hat Crowdfunding das Potenzial, die Banken langfristig in Schwierigkeiten zu bringen?
Das Potenzial ist sehr disruptiv. Man hat hier die Möglichkeit, an den Banken vorbei einen Kredit aufzunehmen. Ich persönlich glaube aber eher, dass es eine Ergänzung zum bestehenden Angebot sein wird.
Crowdlending-Plattformen in der Schweiz
Download
Hier die aktuelle Studie zum Crowdfunding Monitoring herunterladen.
Cashshare
www.cashare.ch
Gebühren nur im Erfolgsfall: 0.75% p.a. pro Partei; mit min. Gebühr für Darlehensnehmer von CHF 50.– für Privatpersonen und CHF 300.- für KMU.
CreditGate24
www.creditgate24.com
0.8 – 3% bei Kreditnehmern, 1% bei Anlegern
Creditworld
www.creditworld.ch
Je nach Kreditsumme unterschiedlich (zwischen 0.45% – 1.50%), jedoch mindestens CHF 1‘000.–
Lend
www.lend.ch
Kreditnehmer: 0.75% Upfront, Anleger: 0.65% dse Anlagebetrags
Swisspeers
www.swisspeers.ch
Kreditnehmer: einmalig CHF 2000.- bei erfolgreicher Auktion und 0.5% pro Jahr. Investoren: 0.25% pro Jahr.
Wecan Group
www.wecangroup.ch
1 – 7% Zins
Miteinander-erfolgreich
www.miteinander-erfolgreich.ch
1 – 7% Zins
Andreas Dietrich absolvierte 1996 bis 2001 das wirtschaftswissenschaftliche Studium an der Universität St. Gallen und anschliessend bis 2008 an der Universität Zürich die Ausbildung zum Handelslehrer. Gleichzeitig doktorierte er an der HSG zu Banking and Corporate Finance. Seit 2008 ist er Dozent und Projektleiter an der Hochschule Luzern, Wirtschaft, am Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ. Seit Mai 2015 ist er Verwaltungsrat der Luzerner Kantonalbank.