Die kommende 5G-Technologie bringt massiv höhere Geschwindigkeiten und Kapazitäten ins Mobilfunknetz – und ermöglicht damit völlig neue Anwendungen für Industrie, öffentliche Dienste und Privatnutzer.
Text: Urs Binder, Bild: ©iStock,
«Ab 2020 surfen wir mobil bis zu 100-mal so schnell» – so oder ähnlich lauteten im Frühsommer 2017 die Schlagzeilen, wenn es um 5G ging. Die Rede ist von bis zu 30 Gbit/s pro Funkzelle, während die aktuelle 4G-Technik LTE Advanced je nach Standard und Situation theoretisch maximal 100 bis 1000 Mbit/s bietet. Der erhöhte Speed ist aber nur ein Teilaspekt von 5G: Der kommende Standard der fünften Generation vereint eine Vielzahl von Technologien und Möglichkeiten für die unterschiedlichsten Anwendungen – vom privaten Smartphone bis zu weltumspannenden Industrienetzwerken. Dafür sind Eigenschaften wie kurze Reaktionszeiten ebenso wichtig wie die reine Übertragungsgeschwindigkeit.
Ein zentrales Element von 5G ist die Effizienz und Kapazität auf der Funkschnittstelle: Jede 5G-Zelle soll ein Vielfaches an Geräten mit massiv höherer Bandbreite versorgen, als es mit der bisherigen Mobilfunktechnik möglich war. Im Vergleich zu den heutigen LTE-Netzen soll 5G pro Funkzelle eine 10 bis 30-fach höhere Datenübertragungsrate und eine rund 1000-fache Kapazität ermöglichen. So lassen sich weltweit bis zu 100 Milliarden mobil vernetzte Geräte, darunter auch «Dinge» im Internet of Things, gleichzeitig ansprechen. Auch die Energieeffizienz steigt markant: Der Energieverbrauch in den Endgeräten pro übertragenem Bit soll auf ein Tausendstel sinken. Damit werden bis zu 10 Jahre Stromautonomie möglich.
Mit den bisher genutzten, praktisch voll ausgelasteten Frequenzbändern im Bereich von 800 MHz bis 2,1 GHz sind diese Anforderungen nicht zu bewältigen. «New Radio» heisst das Zauberwort. 5G nutzt neue, höhere Frequenzbänder. Zunächst sind Frequenzen ab 3,4 GHz geplant. Für die weitere Zukunft sind noch höhere Frequenzbänder ab 24 GHz im Gespräch – aufgrund der Physik der Wellenausbreitung sinkt jedoch die Reichweite mit steigender Frequenz. Für ein solches millimeterwellenbasiertes 5G-Netz bräuchte es deshalb eine grosse Zahl von «Mikrozellen», denkbar etwa in urbaner Umgebung mit einer Mini-Basisstation an jeder Strassenlaterne.
Für zuverlässige 5G-Mobilfunkdienste, die auch dann funktionieren, wenn viele mobile Nutzer versorgt werden wollen, arbeiten 5G-Netze mit weiteren technischen Elementen. Am wichtigsten ist «Massive MIMO» (Multiple Input, Multiple Output). Die Basisstationen werden dazu mit Dutzenden bis Hunderten Sende- und Empfangseinheiten ausgestattet. Die Einheiten kommunizieren mit zahlreichen, räumlich getrennten Mobilgeräten gleichzeitig im gleichen Frequenzbereich. Dabei werden Umgebungsbedingungen wie die Reflexion der Funkwellen an Gebäuden und die daraus entstehenden Verzögerungen und mehrfachen Übertragungswege zum Vorteil genutzt. Die Basisstation kann so einzelne Geräte gezielt ansprechen – man spricht von «Beamforming».
Die 5G-Technologien und zugehörigen Standards sind noch in der Entwicklung. Es wird keinen «Giga-Release» in Form eines Urknalls geben, der alle Möglichkeiten von 5G auf einen Schlag bringt. Stattdessen wird schrittweise standardisiert. Ein erster Wurf für die neue Funkschnittstelle wird auf Ende 2017 erwartet. Gemäss der aktuellen Roadmap soll der New-Radio-Standard bis Ende 2019 verabschiedet werden.
Swisscom rechnet damit, 5G-Dienste ab Ende 2018 anbieten zu können. Ein Meilenstein auf dem Weg ins 5G-Zeitalter wird die Vergabe der Frequenzen durch das BAKOM sein – diesen Sommer hat das BAKOM eine öffentliche Konsultation gestartet, um die Art der Vergabe zu klären. Es ist denkbar, dass es wie bei UMTS wieder zu einer Auktion der Frequenzbänder kommt.
Mit 5G-Netzen ergeben sich vier grobe Anwendungsszenarien: Öffentliche Mobilfunkdienste mit gesteigerter Bandbreite und Kapazität, Massive IoT, kritische lokale Konnektivität und Fixed Wireless Access.
Mit jeder neuen Technologie stellt sich für Unternehmen die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt für nachhaltige Investitionen. Auch wenn manche Firmen noch Zurückhaltung üben, ist jetzt der Zeitpunkt, sich mit 5G auseinanderzusetzen. Das beste Rezept ist Neugierde zu zeigen und die Möglichkeiten zu evaluieren. Jetzt lässt sich die Chance packen, zusammen mit dem Mobilfunkanbieter das Potential von 5G für die eigene Organisation zu ergründen. Dabei kann durchaus herauskommen, dass 5G vorerst nichts fürs eigene Unternehmen ist – auch das ist eine valable Option.
Danach gilt es, sich mit ersten Ideen und Projekten auf das 5G-Zeitalter vorzubereiten – ähnlich wie bei einer Cloud-Transformation muss nicht das ganze Unternehmen auf einmal «auf 5G umgestellt» werden. Ein Einstieg für industrielle Projekte können Technologien wie Narrowband IoT sein, die bereits heute mit 4G funktionieren und sich später nahtlos ins 5G-Netz eingliedern. Denn 5G ist kein radikaler Bruch, der alles Vorherige obsolet macht, sondern eine zwar umfassende, aber organische Weiterentwicklung des aktuellen Mobilfunks.
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