Überwachung moderner Technologien

Eine erfolgreiche Kooperation zweier ungleicher Partner

In einer strategischen Allianz mit dem Genfer Warenprüfkonzern SGS zeigt Swisscom, wie die Überwachung von Getreide dank moderner Technologien eine neue Qualitätsstufe erreicht.

Text: David Schnapp , Bilder: Michele Limina ,  Erschienen in der NZZ Verlagsbeilage vom

Unter den neuen, datengetriebenen Technologien haben die drei Buchstaben IoT einen besonders vielversprechenden Klang. «Internet of Things» heissen die Zauberworte, die einen von fantastischen Zukunftswelten träumen lassen. Letztlich bedeuten sie nicht viel mehr, als dass Geräte aller Art - vom Sensor bis zum Automobil - über Datenleitungen und Funkverbindungen mit dem Internet verbunden werden können.

 

Einiges ist bereits im Alltag angekommen, etwa Zeitschaltuhren, die übers Smartphone gesteuert werden können. Zahnbürsten, die uns via App für die Qualität des Reinigungsvorgangs Noten verteilen, oder Backöfen, die via das Wi- Fi-Netzwerk zu Hause drahtlos Rezepte aus dem Internet herunterladen. Das alles funktioniert, es sind aber letztlich Einzellösungen, die in einem grösseren, industriellen Kontext nicht ausreichen, um damit effizienter zu wirtschaften.

 

2018 ist Swisscom eine strategische Partnerschaft mit dem Genfer Warenprüfkonzern SGS eingegangen, um die Möglichkeiten von IoT auf einem hohen, stabilen Qualitätsniveau weltweit zu erweitern. Für Fred Herren, Senior Vice President von SGS, der für die Bereiche Digital und Innovation zuständig ist, ist die Allianz ein wegweisender Schritt.

 

«IoT befeuert viele Fantasien, aber was heute realisiert wird, ist oft technologiegetrieben und kaum lösungsorientiert. Die meisten Leute haben keine richtige Idee, wie IoT sinnvoll einzusetzen ist. Wir kommen aus der traditionellen, physischen Welt der Warenprüfung. Hier ist IoT eine der Lösungen, aber nicht die einzig mögliche. Unser Ansatz ist: Wir wollen IoT in die richtige Welt integrieren, damit es für unsere Kunden Sinn macht.»

Vom Einzelbild zur Filmsequenz 

Julian Dömer ist Head of IoT bei Swisscom und arbeitet mit einem grossen Team daran, internationale «Internet of Things»-Projekte im grossen Stil zu realisieren. «In diesem Kontext kam SGS mit der folgenden Aufgabe auf uns zu: Warenprüfung heute bedeutet im Grunde, ein Bild festzuhalten. Wir wollen daraus einen Film machen. Die Vision von SGS mit Swisscom ist es, ihren Kunden jederzeit und überall sagen zu können, was der Zustand eines bestimmten Objekts ist. Deshalb braucht es neue Technologien und neue Ansätze. Bisher war das so: Ein SGS-Mitarbeitender geht irgendwohin, prüft etwas und füllt ein Formular aus. Deshalb wollen wir mit technischen Lösungen helfen, Abläufe zu vereinfachen», erklärt Dömer die Allianz von SGS und Swisscom.

 

Fred Herren sieht dies als eine entscheidende Weiterentwicklung der SGS-Dienstleistungen: «Wenn wir vom Einzelbild zur Filmsequenz wechseln können, sind wir in der Lage, vorzeitig zu reagieren, wenn ein Problem entsteht. Heute ruft uns ein Kunde mitten in der Nacht an, weil zum Beispiel bei einem Autoteil ein Haarriss gefunden wurde. Wir bieten Leute auf, um das zu kontrollieren, die Produktion steht still, der Kunde verliert viel Geld. Können wir die Teile laufend überwachen, geht bei uns rechtzeitig die gelbe Fahne hoch, und wir informieren den Kunden, bevor das Problem überhaupt entsteht.»

«Wir wollen IoT in die richtige Welt integrieren, damit es für unsere Kunden Sinn macht.»

Fred Herren, SGS

Das erste Projekt in der strategischen Partnerschaft von SGS und Swisscom klingt scheinbar simpel: In Ägypten überwachen Sensoren riesige Getreidesilos. Sobald sich Temperatur, Feuchtigkeit oder CO2- Gehalt problematisch verändern, wird der Silobetreiber informiert. «Wenn wir einmal pro Monat eine Inspektion machen, verlieren wir jedes Mal einen Monat. Und der Grad der Feuchtigkeit in einem Silo beispielsweise kann sich in dieser Zeit dramatisch verändern», erklärt Herren.

SWISSCOM BERN
Julian Dömer (links), Head of Swisscom IoT, und Marcel Meyer (rechts), Projektleiter, Swisscom mit Fred Herren, Senior Vice President von SGS: Die Vision des Warenprüfkonzerns dem ist es, seinen Kunden jederzeit und überall sagen zu können, was der Zustand eines bestimmten Objekts ist.

Unter erschwerten Bedingungen

Doch was einfach klingt, ist es eben nicht. Zum einen gehe es darum, verlässliche Informationen zu haben. Bloss an der Oberfläche des Getreides zu messen, reiche nicht, so Herren. Man müsse sicherstellen, Messungen mit sprichwörtlich genügend Tiefgang zu machen. Das benötige ein System, um die Informationen zu sammeln, und schliesslich Kommunikationskanäle, um sie zu übermitteln.

 

«Wir brauchen verlässliche Informationen - und wir brauchen sie schnell», bringt Herren die Anforderungen von SGS auf den Punkt. Zu den physikalischen Herausforderungen kommen die technischen Fragestellungen. «Ein Silo ist grundsätzlich kein gutes Umfeld für drahtlose Kommunikation », sagt IoT-Spezialist Julian Dömer. «Dann haben wir nicht nur ein Silo, sondern mehrere - und Getreide ist nicht das margenstärkste Produkt der Welt. Man muss also die Kosten für die Sammlung und Übermittlung der Daten im Auge behalten», erklärt der Swisscom-Manager.

 

Daran sehe man auch, wofür es eine starke Allianz mit SGS brauche: «Zusammen erkennen wir die Herausforderungen, bevor jemand einen Fehler macht. Es reicht eben nicht, irgendwo einen Sensor anzubringen, und der fällt dann aus, weil beispielsweise der Wind zu stark bläst.» Ein interessantes Spannungsfeld ist auch die Basis der beiden ungleichen Partnerunternehmen Swisscom und SGS. Der börsenkotierte Konzern mit Sitz in Genf operiert mit rund 97 000 Mitarbeitenden in über 120 Ländern der Welt.

 

«Wir müssen uns auf jedes Umfeld unserer Kunden einstellen können. Unser erstes Projekt mit Swisscom realisieren wir in Ägypten, das ist noch kein Land, in dem es ultraschnelles mobiles Internet über 5G-Standard gibt. Zudem operieren wir nicht in Kairo, sondern draussen auf dem Land», erklärt SGS-Vizepräsident Fred Herren.

 

Mit Daten von hoher Qualität

Für Swisscom sei die Herausforderung, ihre IoT-Lösungen in verschiedensten Ländern zur Anwendung zu bringen, so Dömer. «Wir kennen natürlich unseren Heimmarkt Schweiz, aber es ist etwas völlig anderes, in einem afrikanischen Land tätig zu sein, wo es vielleicht ein Mobilnetz gibt, das man aber nicht ohne Weiteres benutzen kann», so der studierte Betriebswirtschaftler. «Wir können also mit SGS lernen, wie unsere führenden Lösungen zu skalieren und zu multiplizieren sind, um zu verstehen, wie andere Märkte funktionieren », ergänzt er.

 

Die Gemeinsamkeit von Swisscom und SGS sei letztlich der Kern des jeweiligen Geschäftsfeldes: «Es geht um Daten von hoher Qualität», sagt Marcel Meyer, der als Projektleiter bei Swisscom für die Kooperation zuständig ist. «Wir müssen sicherstellen, dass unsere Daten den SGS-Standards entsprechen. » Für SGS wiederum bedeutet dies laut Fred Herren, «dass wir starke Partner haben». Bei einer solchen Zusammenarbeit gehe es auch darum, ein gegenseitiges Vertrauen und Verständnis zu entwickeln, das einen vernünftigen Umgang mit Fehlern ermögliche. «Denn Fehler können immer vorkommen », ergänzt Julian Dömer.

 

Technisch gesehen geht es bei IoT-Lösungen darum, Konnektivität mit den Datenquellen sicherzustellen. In den ägyptischen Silos kommt LoRa zum Einsatz. Dieses sogenannte Low-Range-Wide-Area-Netzwerk ist wenig störungsanfällig, kostengünstig und hat einen tiefen Stromverbrauch. Der nächste Baustein ist die Cloud, hier kommt Azure von Microsoft zum Einsatz. «Die klingt so einfach, aber wenn man in unterschiedlichsten Ländern aktiv werden will, ist man mit lokalen Regulierungen konfrontiert, deshalb ist die Wahl der richtigen Plattform entscheidend », erklärt Swisscom-Fachmann Dömer. Da sei es gut, mit einem Partner zusammenzuarbeiten, der wie Microsoft eine sehr starke Technologie-Plattform auf diesem Gebiet habe. Und schliesslich geht es darum, die Daten zu analysieren.

 

Im Fall des Ägypten-Beispiels muss laufend festgestellt werden, was der momentane Zustand des Getreides ist, was ebenfalls auf der Basis einer Microsoft-Lösung passiert. Strategie der kleinen Schritte Aber Julian Dömer denkt bereits an die nächste Stufe: «In Zukunft könnte SGS dank unserer Allianz dem Bauern sagen, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist, um das Getreide zu verkaufen, weil wir den Markt beobachten und Prognosen machen können. Und noch etwas weitergedacht, sprechen wir von selbstlernenden Systemen, die präzise voraussagen können, wann es sinnvoll ist, ein Handelsgut zu kaufen oder zu verkaufen.» Man wolle Schritt für Schritt vorangehen, aber es sei immer gut, eine Idee und einen Plan für die Zukunft zu haben. Die Strategie der kleinen Schritte sei wichtig, weil es SGS oft mit einer konservativen Kundschaft zu tun habe, so Fred Herren.

«Wir können mit SGS lernen, wie unsere Lösungen zu skalieren und zu multiplizieren sind.»

Julian Dömer

 

Es gehe viele Sicherheitsbedenken, wenn es um das Sammeln und Analysieren von Daten gehe. «Wir wissen, wie Daten gesichert übertragen und gespeichert werden müssen», erklärt IoT-Spezialist Dömer dazu und ergänzt: «Da es unsere eigene Technologie ist, stehen wir stark in der Verantwortung. Der Vorteil der Partnerschaft mit SGS ist, dass sie sehr genau schauen, ob die Sicherheit wirklich gewährleistet ist. Das ist also auch eine Bestätigung für uns.» In der Dreiecksbeziehung zwischen Swisscom, SGS und Microsoft ist das Getreideprojekt in Ägypten in vielerlei Hinsicht eine Pionierleistung. Einige technische Lösungen kommen in dieser Art erstmals zum Einsatz. «Viele scheitern bei solchen Projekten, weil sie zwar grosse Visionen haben, aber kaum den ersten Fuss aufsetzen können », sagt Swisscom-Projektleiter Marcel Meyer. Seit 2013 hat das Team von Julian Dömer rund 600 IoT-Projekte erfolgreich realisiert. Nun geht es darum, die gewonnen Erkenntnisse im grösseren Massstab umzusetzen.

Swisscom und SGS

In der Partnerschaft zwischen Swisscom und SGS kooperieren zwei Giganten mit unterschiedlichen Wurzeln und Kompetenzen: Swisscom, gegründet 1998, ist das führende Telekommunikationsunternehmen der Schweiz und einer der wichtigsten Anbieter für IT-Lösungen im Land. Sie beschäftigt rund 20 000 Mitarbeitende und erzielte 2018 einen Umsatz von 11,7 Milliarden Franken.

 

Der 1878 gegründete internationale Warenprüfkonzern SGS mit Sitz in Genf betreibt mehr als 1800 Niederlassungen und Labore mit rund 97 000 Mitarbeitenden in über 120 Ländern. In den Geschäftsfeldern Prüfung, Verifizierung, physikalisches Testen und Zertifizierung erzielte SGS 2018 einen Umsatz von 6.7 Milliarden Franken.

 

Seit 2018 existiert eine strategische Partnerschaft zwischen Swisscom und SGS, um Warenprüfungen mit Telekommunikations- und Cloud-Dienstleistungen im Bereich Systemintegration und -betrieb in konstanter, qualitativ hochwertiger Weise sicherzustellen.

Hand with smartphone

Newsletter

Möchten Sie regelmässig spannende Artikel und Whitepaper zu aktuellen ICT-Themen erhalten?


Andere Leser interessierte auch: