Vivien Fuhrer, Gründer und CEO des Schweizer Start-ups EZYcount, beim Pitch.
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Ein beschleunigter Start ins Start-up-Leben

Die Luft stickig, die Stimmung gespannt: 60 Start-ups haben am Kickstart Accelerator Bootcamp anfangs Juli in Zürich um einen Platz im Mentoring-Programm gepitcht. Stimmen und Impressionen.

Es ist heiss an diesem Sommertag in Zürich. Im «Kraftwerk», dem ehemaligen EWZ-Unterwerk Selnau, ist es stickig. Ein Flirren liegt in der Luft, die Spannung ist deutlich spürbar. In den kleinen Container-Kabäuschen pitchen 60 Start-ups aus 22 Ländern um die Teilnahme am Kickstart-Accelerator-Programm 2018. 30 der Jungunternehmen werden am Ende des Tages für dieses Mentorprogramm ausgewählt.

Noch ist die Entscheidung nicht gefallen. Im Café des Kraftwerks dominieren bunt beklebte MacBooks, und am späteren Nachmittag fliesst das erste Bier. Ein Zeichen, dass der Pitch überstanden ist und die Gründerinnen und Gründer auf den Entscheid der Jury warten.

Blockchain-Ökosysteme und Smart Cities

Für Swisscom als eine der Global Partners des Kickstart Accelerator sitzen unter anderem Roland Cortivo und Michel Pfäffli in der Jury. Roland Cortivo konzentriert sich auf den Fintech-Bereich, während Michel Pfäffli die Smart-City-Start-ups begutachtet. Wie meistern sie die schwierige Aufgabe, die Teilnehmer fürs Accelerator-Programm auszuwählen?

Eine erste Selektion stelle der Reifegrad dar, sagt Roland Cortivo: «Für uns sind Start-ups dann interessant, wenn wir zusammen ein Pilotprojekt durchführen können.» Einen solchen Proof of Concept – hier wird nur vom «PoC» gesprochen – strebt auch Michel Pfäffli an: «Einige Smart-City-Start-ups wollen die Welt verändern. Der PoC zeigt dann, ob das auch gelingen kann.»

Daneben brauche es vor allem eine gute Nase, und auch der Skill-Mix der Gründer spiele eine Rolle, ergänzt Roland Cortivo. Und natürlich die Geschäftsidee: «Die Blockchain ist bei den Fintech-Start-ups allgegenwärtig», bemerkt er. «Doch interessant sind vor allem diejenigen, die darauf eine Plattform entwickeln und als Drehscheibe für verschiedene Dienstleistungen dienen.» Denn die Blockchain ist zwar in aller Munde, ein Geschäftsmodell stellt sie alleine aber noch lange nicht dar.

Einer der Fintech-Vertreter ist Altoo. Das Zuger Start-up will vermögenden Personen die Vermögensverwaltung vereinfachen, indem sämtliche Anlagen – Wertschriften, Immobilien, Private Equity etc. – über eine zentrale Plattform verwaltet werden können. CEO Martin Stadler hat ebenfalls den Gang vor die kritische Jury gewagt. Doch egal, wie das Ergebnis ausfällt: die Eindrücke der beiden Tage sind positiv, so Martin Stadler: «Es war inspirierend, Start-Ups und ihre Gründer aus aller Welt zu treffen. Ein Austausch über die verschiedenen Themenbereiche hat mir spannende Einblicke gegeben, wie andere ihre Visionen vorantreiben und mit den Herausforderungen eines Jungunternehmens umgehen.»

Die Vertreter der Fintech-Start-ups, die am Accelerator-Programm 2018 teilnehmen. Auch Martin Stadler (4. v.r.) hat es mit Altoo geschafft.

Vernetzen, hinterfragen und weiterentwickeln

Mittlerweile ist es früher Abend geworden. Während sich auf der Strasse der Feierabendverkehr staut, entspannt sich die Stimmung. Statt Notebooks werden Getränke geöffnet, und das konzentrierte Arbeiten weicht fröhlichen Gesprächen. Die Start-ups und Unternehmen tauschen sich untereinander aus, die meist gehörte Sprache ist Englisch. Networking ist ein wichtiger Teil des Kickstart Accelerators.

Doch die Entspannung ist von kurzer Dauer, als sich alle Beteiligten im Foyer des Kraftwerks einfinden. Die Jury hat ihre Entscheidung gefällt. Die Start-ups, die am Kickstart-Accelerator-Programm teilnehmen, werden auf die Bühne gebeten. Applaus für alle, die Stimmung ist kollegial.

Auch Martin Stadlers Altoo gehört zu den 30 ausgewählten Start-ups. In einer Mischung aus Vorfreude und Realismus sagt er: «Wir freuen uns, im Austausch mit den sehr erfahrenen Partnern und Mentoren des Accelerator-Programms viel dazu zu lernen und uns fit für die nächsten Schritte zu machen. Für jedes Unternehmen ist es wichtig, in Sachen Strategie und Vision regelmässig herausgefordert zu werden.» Es sei die kritische und professionelle Betrachtung, die ein Start-up vorwärts bringen.

Im September geht es los, das Programm dauert rund zwei Monate. Angefangene PoC werden natürlich darüber hinaus weitergeführt. Das ist auch das Ziel von Martin Stadler: «Wir haben bereits konkrete Pläne, wie wir mit den verschiedenen Partnern zusammenarbeiten könnten, und freuen uns, dies nun im Rahmen des Accelerator-Programms anzupacken.»

Freude und gute Stimmung: alle Teilnehmenden des Kickstart Accelerator Bootcamps auf einen Blick.

Reife Start-ups und saftige Burger

Zum Abschluss gelingt das Kunststück, alle Beteiligten auf ein Foto zu bringen. Danach geht es endgültig raus aus der stickigen Halle. Die Start-ups lassen den Abend bei Burger, Cola und Bier ausklingen. Einige haben sich bereits wieder auf den langen Heimweg gemacht.

Die Hektik ist verflogen, Zeit für ein Fazit. «Die Breite an Themen und die Zahl der vertretenen Länder war erfreulich», resümiert Roland Cortivo. Das sei nicht selbstverständlich angesichts der grossen Konkurrenz durch internationale Start-up-Hubs wie London, Singapur oder natürlich das Silicon Valley: «Das spricht für die Attraktivität und Qualität des Kickstart Accelerators.»

«Im Smart City Bereich habe ich einige Start-ups erlebt, die einen Mehrwert für die Gesellschaft bringen können. Start-ups, die zum Beispiel die soziale Inklusion fördern oder die ökologische Nachhaltigkeit unterstützen», fasst Michel Pfäffli seine Arbeit in der Jury zusammen. Und: «Die Start-ups sind gegenüber des letztjährigen Kickstart Accelerators in ihrem Entwicklungsprozess weiter, was die Chance auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit erhöht.»

Derweil hat sich Martin Stadler längst Gedanken für die Zeit nach dem Mentoring-Programm gemacht und unterstreicht die Bedeutung der Start-up-Förderung für den hiesigen Wirtschaftsstandort: «Die Schweiz hat eine sehr aktive Start-up-Szene, und die wirtschaftlichen, politischen und steuerlichen Rahmenbedingungen sind grundsätzlich gut. Wenn es nach dem Proof of Concept zum nächsten Schritt in der Unternehmensentwicklung eines Start-ups kommen soll, können jedoch die im Vergleich mit dem Ausland hohen Lohnkosten sowie der eher kleine Binnenmarkt schnell zu einer Hürde werden. Entsprechend sind Unterstützungsangebote, die die Internationalisierung des Geschäftsmodells begleiten, genauso wichtig.»

Und während die Sonne langsam über Zürich untergeht, taucht das andere grosse Thema dieses Abends am Horizont auf und verdrängt das Tagesgeschäft: die Fussball-WM mit dem Halbfinal Frankreich gegen Belgien.

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