AI Use Cases in der Schweiz umgesetzt: Im Interview sprechen Syrian Hadad und Lukas Hebeisen über datenbasierte Verwaltung, digitale Unabhängigkeit und den verantwortungsvollen Einsatz von KI.
Wie kann eine Kantonsverwaltung Machine Learning und generative KI sinnvoll einsetzen und dabei den Datenschutz einhalten? Im Interview sprechen Syrian Hadad, Sektionsleiter Technologie- und Lösungsentwicklung des Kantons Aargau, und Lukas Hebeisen, Head of Product Line Cloud bei Swisscom, über die Umsetzung einer datenbasierten Verwaltung und über digitale Unabhängigkeit im Kanton Aargau.
Herr Hadad, der Kanton Aargau gilt als Vorreiter in der Nutzung der Swiss AI Platform. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?
Syrian Hadad: Vor einigen Jahren haben wir im Bereich des maschinellen Lernens wertvolle Erfahrungen gesammelt. Mit dem Aufschwung grosser Sprachmodelle standen wir vor der Herausforderung, unseren Mitarbeitenden die Nutzung generativer KI zu ermöglichen, ohne sensible Verwaltungsdaten preiszugeben. Wir brauchten eine Lösung, die unseren Datenschutzrichtlinien genügt, sich in unsere Infrastruktur integriert und flexibel genug für verschiedene Modelle ist.
Die Swiss AI Platform bietet genau das. Sie liefert standardisierte Schnittstellen für Dokumente, die wir in verschlüsselte Fingerabdrücke (Embeddings) übersetzen. Über Open WebUI orchestrieren wir diese Bausteine und betreiben alles im kantonalen Rechenzentrum. So bleiben wir datensouverän, sparen Lizenzkosten und können für jeden Fachbereich das passende Modell einsetzen. Dieser modulare Ansatz macht uns schnell, flexibel und unabhängig.
Welche Rolle spielt die Datenhaltung in der Schweiz für dieses Projekt?
Syrian Hadad: Die Datenhaltung im eigenen Rechenzentrum ist zentral. Das kantonale Datenschutzgesetz verlangt, dass Personendaten nur unter Kontrolle öffentlicher Organe verarbeitet werden. Wenn unsere KI-Plattform Texte zusammenfasst oder Schweizerdeutsch transkribiert, bleiben alle Dokumente innerhalb der Schweizer Rechtsordnung.
Dies sichert unsere digitale Souveränität: Wir behalten die Kontrolle über Infrastruktur, Zugriffsprotokolle und können Modelle eigenständig wechseln. Wir können vortrainierte Modelle aus dem Ausland nutzen – entscheidend ist, dass wir sie unabhängig orchestrieren. So setzen wir moderne Technologie ein, ohne teure Modelle selbst trainieren zu müssen, und bleiben unabhängig von einzelnen Cloud-Anbietern.

«Die wirkliche Herausforderung liegt nicht in der Technologie selbst, sondern in ihrer klugen Einbettung in gesellschaftliche Prozesse.»
Syrian Hadad, Sektionsleiter Technologie- und Lösungsentwicklung des Kantons Aargau
Sie zeigen, dass es möglich ist, moderne KI-Technologie einzusetzen und gleichzeitig höchste Anforderungen an Sicherheit und Souveränität zu erfüllen. Ein ähnliches Verständnis scheint auch der Entwicklung der Swiss AI Platform zugrunde zu liegen. Herr Hebeisen, welche Vision verfolgt Swisscom mit der Entwicklung der Swiss AI Platform?
Lukas Hebeisen: Wir haben eine KI-Infrastruktur aufgebaut, die auf Schweizer Bedürfnisse zugeschnitten ist. Mit der Swiss AI Platform bieten wir ein modulares System für sichere KI-Anwendungen mit Datenhaltung in der Schweiz.
Uns war wichtig, dass die Plattform keine neuen Abhängigkeiten schafft, sondern Handlungsfähigkeit stärkt. Die Kontrolle über Infrastruktur, Daten und Prozesse bleibt vollständig bei den Nutzern. Von Anfang an haben wir maximale Datenhoheit als Ziel verfolgt, mit Verarbeitung ausschliesslich in Schweizer Rechenzentren – ein klares Bekenntnis zur digitalen Souveränität.
Welche Services bietet Swisscom auf der Swiss AI Platform an?
Lukas Hebeisen: Die Swiss AI Platform stellt eine modulare Infrastruktur zur Verfügung, mit der Unternehmen und öffentliche Institutionen KI-Anwendungen sicher entwickeln, betreiben und integrieren können.
Konkret bieten wir Services in drei Bereichen an:
Erstens ermöglichen wir den sicheren Betrieb von Foundation Models, darunter Sprachmodelle für Textanalyse, Klassifikation oder Zusammenfassungen – vollständig in der Schweiz gehostet.
Zweitens stellen wir Werkzeuge für die Datenverarbeitung bereit, etwa zur Transkription von Dialekten, Dokumentenanalyse oder semantischen Suche.
Und drittens unterstützen wir unsere Kunden bei der Orchestrierung und dem Monitoring dieser Dienste, mit Fokus auf Transparenz, Protokollierung und Steuerbarkeit – alles konform mit Schweizer Standards und Datenschutzanforderungen.
Unser Ziel ist nicht, alles selbst zu bauen, sondern die besten verfügbaren Modelle kontrolliert zugänglich zu machen – ohne die Datenhoheit aus der Hand zu geben.
Sie zeigen auf, wie sich eine KI-Infrastruktur strategisch aufbauen lässt. Wie sieht das in der Praxis aus? Herr Hadad, wo setzen Sie KI im Kanton Aargau konkret ein?
Syrian Hadad: Wir setzen KI überall dort ein, wo sie unmittelbaren Nutzen bringt: Im Wald erstellen wir mit Lidar-Aufnahmen detaillierte Karten für Forstfahrzeuge. Ein Voicebot im Strassenverkehrsamt übernimmt Standardanfragen. Ein System liest handgeschriebene Formulare automatisch aus. Bei der Kantonspolizei werden Schweizerdeutsch-Interviews in Schriftsprache transkribiert. Bald wird auch AargauGPT unsere Prozesse weiter optimieren.
«Unser Ziel ist nicht, alles selbst zu bauen, sondern die besten verfügbaren Modelle kontrolliert zugänglich zu machen – ohne die Datenhoheit aus der Hand zu geben.»
Lukas Hebeisen, Head of Product Line Cloud, Swisscom

Wie reagieren Ihre Mitarbeitenden auf diese Veränderungen?
Syrian Hadad: Aus IT-Sicht ist es heikel, für alle zu sprechen. Ich bekomme vor allem Rückmeldungen der «Early Adopters», und die sind durchweg positiv. AargauGPT läuft bisher nur in der IT und einigen Pilotbereichen. Der kantonsweite Einsatz wird von Schulungen und praxisnahen Leitfäden begleitet, damit alle den gleichen Nutzen erfahren.
Wie sehen Sie die Zukunft der KI in der Schweiz?
Lukas Hebeisen: Die Schweiz bringt ideale Voraussetzungen mit, um bei der Entwicklung vertrauenswürdiger KI eine Vorreiterrolle einzunehmen: erstklassige Bildung, politische Stabilität und eine ausgeprägte Innovationskultur. Entscheidend wird sein, dass wir bei aller technologischen Begeisterung den Menschen und ethische Grundsätze nicht aus dem Blick verlieren.
Syrian Hadad: Genau. Die wirkliche Herausforderung liegt nicht in der Technologie selbst, sondern in ihrer klugen Einbettung in gesellschaftliche Prozesse.
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