Herausforderungen für IT-Infrastruktur von Banken in der Schweiz bei der Einführung eines digitalen Schweizer Frankens für Endkunden 

In unserem ersten Artikel haben wir die Herausforderungen betrachtet, die in digitaler Schweizer Franken (DCHF) im Interbankgeschäft hätte. Nun wollen wir einen Schritt weiter gehen und die Bedeutung für das Endkundengeschäft beleuchten.  

15.08.2024 Dominik Jocham (BEI St. Gallen), Clemens Eckert (Swisscom)           7 Min.

Ein Blockchain-basierter, DCHF für Endkunden (z.B. Privatpersonen, Unternehmen oder Institutionen), könnte Finanzgeschäfte nachhaltig beeinflussen1.

Nicht nur wird der DCHF als Enabler für die digitale Wirtschaft gesehen, sondern auch als Effizienztreiber für bestehende Finanzgeschäfte (z.B. in der Abwicklung von Transaktionen etc.)2.

Der Einsatz eines DCHF ermöglicht ebenso die Erschliessung von neuen Anwendungsfällen für Privatpersonen (z.B. geringere Kosten für Geldtransfers), Banken (z.B. Verwahrung des DCHF) oder Unternehmen der Privatwirtschaft (z.B. Verbindung von Geldflüssen und Leistungen im Kontext von Industrie 4.0). 

Im letzten Artikel ist der Anpassungsbedarf der IT-Infrastruktur von Geschäftsbanken bei der Einführung von digitalem Zentralbankengeld3 für das Interbankengeschäft skizziert worden4. Hierbei wurde ein DCHF basierend auf Zentralbankengeld für Endkunden explizit aus der Betrachtung ausgeschlossen, da aktuell keine Absichten erkennbar sind diesen für Endkunden zu öffnen. Somit kann davon ausgegangen werden, dass – wenn überhaupt – eine Lancierung eines DCHF aktuell nur über private bzw. eine Public-Private-Partnership erfolgen könnte, z.B. der Buchgeld-Token (BGT) orchestriert von Swiss Banking5 oder der Stablecoin CHFD von der Swiss Stablecoin AG6. Diese DCHF sind von den bereits existierenden Lösungen in geschlossenen Ecosystemen abzugrenzen, z.B. dem Digital Swiss Franc von Sygnum für das Settlement innerhalb der eigenen Sekundärmarktplattform Sygnex7. Ausgehend von diesen vorliegenden Konzepten skizzieren wir im Folgenden den Anpassungsbedarf an die IT-Infrastruktur einer Bank. Weitere Handlungsfelder für die Einführung eines DCHF wie die Abbildung von BGT bzw. CHFD auf einer Bankbilanz oder die technische Ausgestaltung der zugrundeliegenden Blockchain, werden in diesem Artikel nicht vertieft. 

Gemeinsames Verständnis von Stablecoins & BGT 

Stablecoins zeichnen sich dadurch aus, dass diese einen Wert 1:1 auf einer Blockchain abbilden und diesen Wert somit in Form eines digitalen Token handelbar machen.  

  • Der abgebildete Wert können gesetzliche Zahlungsmittel (z.B. CHF oder EUR), physische Werte (z.B. Gold) oder auch Blockchain-basierte Werte (z.B. Bitcoin) sein. Allen Stablecoins gemein ist, dass diese die 1:1-Bindung zum zugrundeliegenden Wert auch bei hohen Handelsvolumen beibehalten. Die Sicherheiten zur Unterlegung des Stablecoins werden vollumfänglich bei einem Custodian hinterlegt, z.B. im Fall von CHF bei einer Bank.
  • Durch die 1:1-Hinterlegung des Stablecoins an den zugrundeliegenden Wert sind geldpolitische Massnahmen wie die Ausweitung der Geldmenge, nicht möglich. Erste Anbieter haben einen DCHF in Form eines Stablecoins lanciert bzw. arbeiten an dessen Lancierung, z.B. Swiss Stablecoin AG, Sygnum oder Bitcoin Suisse.    

Ein BGT bildet – wie der Name es bereits vermuten lässt – Buchgeld8 in Form eines Tokens auf einer Blockchain ab. Der Wert des Tokens entspricht grundsätzlich einer Einheit des Buchgeldes bei der Bank.

  • Im Gegensatz zu einem Stablecoin ist der BGT nicht 1:1 mit Assets zu hinterlegen und kann dadurch von geldpolitischen Massnahmen beeinflusst werden.  
  • Ebenfalls können – analog bestehendem Buchgeld bei Banken – Zinsen darauf entrichtet oder erhoben werden. In der Schweiz koordiniert Swiss Banking die Bestrebungen von verschiedenen Banken, erste praktische Erfahrungswerte im Umgang mit BGT zu sammeln9

Wie im Kontext von CBDC liegt die Frage nahe, welchen Anpassungsbedarf eine Einführung eines DCHF für Endkunden (natürliche & juristische Personen) für die IT-Infrastruktur einer Bank bedeuten würde. Die Annahme ist, dass der DCHF in Form eines Stablecoin oder als tokenisiertes Buchgeld (BGT) als Ergänzung zum bestehenden Zahlungssystem eingeführt wird und das zweistufige Bankensystem (Stufe 1: Zentralbank zu Geschäftsbanken, Stufe 2: Geschäftsbanken an Endkunden) weiterhin bestand hat. Aufbauend auf dem letzten Artikel, wird in den folgenden Abschnitten der Anpassungsbedarf der IT-Infrastruktur von Banken im Zusammenhang mit der Einführung eines DCHF skizziert. Hierbei werden zwei Szenarien unterschieden:

  • Gleichbleibende Eckwerte (Basisszenario): Der DCHF wird mit dem Ziel eingeführt, bestehende Prozesse, Tätigkeiten oder Finanzinteraktionen von Endkunden mit Geschäftsbanken oder zwischen Endkunden, zu optimieren. Beispielhaft sind dies kostengünstigere Transaktionen oder die erhöhte Transparenz durch den Einsatz der Blockchain-Technologie. In diesem Szenario werden bestehende, etablierte Mechanismen beibehalten (z.B. Transaktionszeitfenster, Tagesendverarbeitung im KBS etc.) und das Potential der Blockchain-Technologie nicht ausgenutzt.
  • Angepasste Eckwerte: Der DCHF wird eingeführt, damit dieser als Bestandteil der digitalen Wirtschaft in der Schweiz diese umfassend unterstützt. Hierbei werden bewusst bestehende Eckwerte verändert (z.B. Handelszeiten, Zahlungsmodelle etc.) und das Potential der Blockchain-Technologie erschlossen. Dies beinhaltet u.a. die Gestaltung von neuen Geschäftsmodellen oder dein Einsatz von Smart Contracts.  

Im Basisszenario ist die Einführung des DCHF als technisches Upgrade für bestehenden Dienstleistungen & Produkte für Endkunden (z.B. Peer-2-Peer-Transaktionen oder Sammelbuchungen für Unternehmen) zu sehen. Vergleichbar mit dem Zielbild von Projekt Helvetia Phase II, übernehmen in diesem Szenario zentrale Akteure10 alle On-Chain-Tätigkeiten (z.B. Verwahrung oder On-Chain-Due-Diligence etc.)11; Geschäftsbanken stellen die Schnittstelle zu Endkunden bereit und stellen die Einhaltung relevanter Regulatorien sicher (z.B. AML & KYC-Checks etc.). Endkunden beziehen den DCHF via Geschäftsbank, welche wiederum zentrale Akteure für die Emission des entsprechenden DCHF beauftragen. Im KBS werden Endkunden die entsprechenden Bestände an DCHF zugeordnet, z.B. in Form von segregierten Konten im KBS und die Bestände einer Bank bei zentralen Akteuren mittels Spiegelkonten abgebildet (vergleichbar mit dem Nostro-Vostro-Setup im Interbankengeschäft); Die Reconciliation der Geschäftsbank ist, um die zusätzlichen Spiegelkonti zu ergänzen und prozessual abzubilden. Hinsichtlich Umsysteme kann davon ausgegangen werden, dass diese weiter in der bestehenden Form verwendet werden können (z.B. Nutzung des SIC für CHF-Transaktionen zwischen zentralem Akteur und Geschäftsbank im Fall von Stablecoins). Wird jedoch ein BGT verwendet, ist das bestehende Zahlungssystem zu ergänzen, da der BGT nativ auf einer Blockchain begeben wird und idealerweise auf dieser transferiert wird. Allenfalls besteht Anpassungsbedarf bei der Informationsübermittlung zwischen Bank und zentralen Akteuren; gängige & etablierte Formate können hier eine stabile Grundlage bilden (z.B. ISO-zertifizierte Messaging-Standards).

In diesem Basisszenario wird die Blockchain-Technologie genutzt, um bestehende Use Cases effizienter (erwartete tiefere Kosten) und effektiver (schnellere Transaktionszeiten) zu gestalten. Hierbei kann davon ausgegangen werden, dass unabhängig von der gewählten Ausprägung des DCHF (Stablecoin oder BGT) der Anpassungsbedarf am KBS, Umsystemen, Schnittstellen oder Prozessen einer Bank, überschaubar bleiben wird.  

Der Einsatz von Blockchain-Technologie bietet verschiedene Potenziale, z.B. hinsichtlich Verfügbarkeit von Zahlungszeiten, für die Bewirtschaftung von Liquidität für Unternehmen oder eine hohe Automatisierung mittels Smart Contracts. Aufbauend auf dem Basisszenario können mit dem DCHF neue Anwendungsfälle realisiert werden, in denen grundlegenden Eckwerte wie Verfügbarkeit oder Transaktionszeiten, verändert werden. Nachfolgend sind ausgewählte Anwendungsfälle grob skizziert:  

  • Micro Payments: Transaktionen von Kleinstbeträgen werden technisch sowie betriebswirtschaftlich mit dem DCHF möglich. Insbesondere das digitale Ökosystem der Schweiz oder die Industrie 4.0 bietet sich als Einsatzfeld an. 
  • Digitales Escrow: Durch den Einsatz von Smart Contracts & DCHF können Zahlungen an bestimmte Bedingungen geknüpft werden, z.B. die gekaufte Ware muss versendet worden sein, bevor das Geld vollständig überwiesen wird. In diesem Falle wird das Eintreten der Bedingung nicht durch eine neutrale Drittpartei geprüft («Escrow»), sondern technisch mittels Smart Contract und via Atomic Swap durchgeführt. Dies erlaubt die kosteneffiziente und skalierbare Abbildung von Escrow-Tätigkeiten für verschiedene Anwendungsbereiche, z.B. Online Shopping oder Lieferanten-Produzenten-Beziehungen.  
  • Wallet: Für den Einsatz des DCHF im digitalen Ökosystem der Schweiz ist sowohl im Basisszenario sowie bei veränderten Eckwerten ein Wallet zur Verwahrung des jeweiligen Private Keys für den Zugriff auf die DCHF notwendig. Für eine hohe Adaptionsrate bei Endkunden ist unter anderem die Nutzerfreundlichkeit der Lösung sowie das Vertrauen in die Provider essenziell. Banken geniessen in der Schweiz einen Vertrauensvorschuss und verfügen über die Schnittstelle zu den Endkunden. Somit können sich diese als Wallet-Provider gegenüber Endkunden positionieren und weitere Produkte lancieren, z.B. Smart Contracts oder Blockchain-basierte Finanzprodukte.

Die Operationalisierung eines oder mehreren der obigen Anwendungsfälle, wird technischen und funktionalen Anpassungsbedarf im KBS, den Umsystemen und/oder Schnittstellen sowie Prozessen auslösen. Beispielhaft ist der Bestandsabgleich zwischen KBS und DCHF-Beständen bei Dritten (z.B. zentraler Akteur, Wallet-Anbieter etc.), um Doppelbuchungen zu verhindern. Hierbei werden mit grosser Wahrscheinlichkeit die DCHF nicht mehr an einer zentralen Stelle verwahrt, sondern durch verschiedene Anbieter. Somit sind On-Chain-Daten (zu Beständen an DCHF von Endkunden) mit den Guthaben der Endkunden im KBS abzugleichen, um Doppelbuchungen zu verhindern.  

Bestehende Umsysteme sind abhängig von den umgesetzten Anwendungsfällen zu ergänzen oder anzupassen. Insbesondere der Informationsaustausch wird zukünftig nicht nur mit Dritten via etablierte Formate erfolgen, sondern die Bank wird auch direkt Daten-Blockchains abrufen müssen (z.B. für die Prüfung der DCHF-Bestände eines Endkunden). Durch den Anpassungsbedarf bei Umsystemen sowie der aufzubauenden Skills im Kontext von Blockchain, sind Prozesse umfassender Anzupassen (z.B. im Kontext der Reconciliation) bzw. können sogar automatisiert werden (z.B. durch den Einsatz von Smart Contracts in Verbindung mit Corporate Actions). 

Abhängig von den angestrebten Anwendungsfällen entsteht bei der Einführung des DCHF geringer bis grosser Anpassungsbedarf in der IT-Infrastruktur von Banken. Entscheidend ist hierbei, ob und in welchem Umfang die Potentiale der Blockchain-Technologie ausgenutzt werden sollen. Denn: Finanztransaktionen in einer sehr hohen Geschwindigkeit rund um die Uhr, sind seit der Einführung von Instant Payment kein Alleinstellungsmerkmal der Blockchain-Technologie mehr.  

Einordnung von Instant Payment in den Kontext eines DCHF 

Voraussichtlich im Spätsommer 2024 werden die grössten Schweizer Banken Instant Payment anbieten12. Instant Payment zeichnet sich dadurch aus, dass rund um die Uhr und innerhalb von 10 Sekunden, transferierte Beträge von bzw. bei Banken in der Schweiz final verbucht werden können. Somit haben die Begünstigten nicht nur schneller das Geld zur Verfügung, sondern das Gegenparteirisiko wird drastisch verringert. Als Infrastruktur dient die nächste Generation des Swiss Interbank Clearings Systems, SIC513.  

Technisch kann die Abwicklung von Zahlungen 24/7 innerhalb von 10 Sekunden durch einen DCHF erfüllt werden, z.B. durch die Nutzung von skalierbaren Blockchains14 oder die Nutzung von Layer-2-Lösungen15. Im Gegensatz zu Instant Payment kann ein DCHF in weitere Anwendungsfälle mit eingebunden werden, ohne die Technologie zu wechseln, z.B. via Smart Contracts in Machine-2-Machine-Payments oder als Escrow. Die Einführung eines DCHF könnte somit eine Weiterentwicklung des Gedankens hinter Instant Payment sein.  

Fazit & Ausblick 

Der Anpassungsbedarf an der IT-Infrastruktur hängt von den gewählten Anwendungsfällen für den DCHF sowie das gewählte Szenario ab: Je mehr Eckpunkte verändert werden, desto grösser der Anpassungsbedarf im KBS, den Umsystemen, Schnittstellen oder Prozessen. Ausgehend von den erbrachten Leistungen von zentralen Akteuren kann sich der Anpassungsbedarf in der IT-Infrastruktur weiter verschieben, z.B. wenn die Bank eine eigene Verwahrlösung für DCHF Endkunden bereitstellen möchte.  

Die Einführung von Instant Payment stellt einen deutlichen Mehrwert gegenüber dem heutigen SIC für Endkunden dar. Ein DCHF verspricht sogar weitere Mehrwerte (z.B. hoher Automatisierungsgrad durch den Einsatz von Smart Contracts oder skalierbare Escrow-Funktionalität), welche allein mit Instant Payment noch nicht realisiert werden können.  

1 Neue Zürcher Zeitung(öffnet ein neues Fenster)
2 SwissBanking(öffnet ein neues Fenster)
3 Wholesale Central Bank Digital Currency (wCBDC)
4 Stablecoins Core Banking Radar Artikel(öffnet ein neues Fenster)
SwissBanking(öffnet ein neues Fenster)
6 Swiss Stablecoin(öffnet ein neues Fenster)
7 Sygnum(öffnet ein neues Fenster)
8 Als Buchgeld werden in diesem Fall Einlagen von Endkunden bei Geschäftsbanken bezeichnet
9 SwissBanking(öffnet ein neues Fenster)
10 Beispielsweise der Emittent des DCHF oder ein digitaler Börsenplatz wie die SDX
11 Aktuell ist nicht abschliessend geklärt, wer der zentrale Akteur ist oder welche Aufgaben dieser zu erfüllen hat.
12 SIX(öffnet ein neues Fenster)
13 SNB(öffnet ein neues Fenster)
14 Algorand Technologies(öffnet ein neues Fenster)
15 Digital currency initiative(öffnet ein neues Fenster)

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