Experten-Interview mit Dario Tam, e.foresight

«Die erfolgreichsten Privatbanken bieten einen optimalen Mix aus persönlicher und digitaler Interaktion»

Dario Tam, Experte im Bereich Digitalisierung im Private Banking bei e.foresight, erklärt im Interview die besonderen Unterschiede und Bedürfnisse bei der Digitalisierung dieser Banken.

Text: Matthias Niklowitz, Bilder: Swisscom, 25

Wenn man Privatbanken mit Retailbanken vergleicht – wo bestehen die grössten Unterschiede?

Da sich Privatbanken ausschliesslich auf das Geschäft mit vermögenden Kunden fokussieren, stehen die spezifischen Bedürfnisse dieser sehr anspruchsvollen Kundschaft im Vordergrund. Während Retailbanken mit grösstenteils standardisierten Produkten und Dienstleistungen Skaleneffekte erzielen, bieten Privatbanken stark personalisierte Lösungen an, die jeweils auf individuelle Kundensituationen zugeschnitten sind. Damit einher geht eine Palette exklusiver Zusatzdienstleistungen, welche aufgrund hoher finanzieller Zutrittsbarrieren für Retailkunden nicht direkt zugänglich sind. Solche hohen Barrieren sind von den Regulierungsbehörden vorgeschrieben, weil die Risiken von beispielsweise Privatmarktanlagen und strukturierten Kreditlösungen lediglich von vermögenden Personen mit breit abgestützten Portfolios getragen werden sollten. Hinzu kommen für diese Kunden weitere Services wie eine umfassende Vermögens- und Nachfolgeplanung bis hin zu bankfremden Zusatzleistungen wie etwa die Vermittlung von Luxusgütern, Transportservices oder medizinischer Beratung.

Im Retailbanking ist die Digitalisierung allgegenwärtig – Stichwort ist das mobile Banking. Welches sind die wichtigsten Digitalisierungsthemen bei Privatbanken?

Den grössten Digitalisierungsdruck spüren Privatbanken derzeit in den Bereichen Kundeninteraktion, Anlageberatung, Produkteintegration sowie in der operationellen Abwicklung. Während hybride Modelle der Interaktion (analog/digital) optimal auf einzelne Kundentypen angepasst werden müssen, eröffnen sich mit datengetriebenen Ansätzen bei der Anlageberatung neue Möglichkeiten der Ertrags- und Qualitätssteigerung. Gleichzeitig können sich Vermögensverwalter durch eine nahtlose Integration spezifischer Produkttypen – beispielsweise mit digitalen oder nicht-bankfähigen Vermögenswerten – in den Beratungs- und Reportingprozessen differenzieren.

Was können Privatbanken von den besten Vertretern ihrer Branche lernen?

Die zukünftig erfolgreichsten Privatbanken kennen die Bedürfnisse ihrer Kunden und bieten einen optimalen Mix aus persönlicher und digitaler Interaktion. Im persönlichen Austausch werden die Anliegen und Sorgen der Kunden eruiert. Dank dem Einsatz von digitalen Hilfsmitteln können anschliessend Dienstleistungen auf die Kundenbedürfnisse flexibel personalisiert und kosteneffizient angeboten werden. Durch strategische Partnerschaften mit ausgewählten Anlagepartnern und führenden FinTechs lassen sich neue Produkte sowie Dienstleistungen rasch integrieren und operationell abwickeln, ohne übermässig eigene Ressourcen zu binden.

Was können Privatbanken von anderen Branchen hinsichtlich der Digitalisierung lernen?

Insbesondere bei der sogenannten Hyperpersonalisierung und dem Erschliessen von neuen Kundengruppen können sich Privatbanken am Luxussegment des Automobilbaus orientieren. Tesla etwa hat demonstriert, wie sich durch ein angemessenes Gleichgewicht zwischen Industrialisierung, Innovation und Individualisierung technologische Fortschritte und neue Kundenbedürfnisse nutzen lassen: Inzwischen hat der Erfolg der konsequenten Innovationsstrategie Tesla in die Profitabilität geführt.

Bild von Dario Tam

Dario Tam, Experte im Bereich Digitalisierung im Private Banking bei e.foresight

Wie wird das Privatbanking der Zukunft aussehen?

Die Digitalisierung und veränderte Kundenbedürfnisse zwingen die Privatbanken, ihr Geschäftsmodell anzupassen. Privatbanken werden ihre Services vermehrt in einem offenen digitalen Ökosystem anbieten. Dank dem Einsatz von modernster Technologie und offenen Schnittstellen für die Verbindung von Systemen untereinander und auch über Firmengrenzen hinweg können Vermögensverwalter die für ihre Kunden am besten geeigneten Produkte auswählen und anbieten. Die Rolle der Kundenberater ändert sich auch stark. Das Banking wird immer schneller und direkter. Kundenberater müssen verstärkt die Klaviatur der elektronischen Kanäle beherrschen. Durch eine starke Zunahme der elektronischen Kanäle sehnen sich vermögende Kunden vermehrt nach einem persönlichen Austausch. Der persönliche Austausch wird vor allem auf sensitiven oder emotionalen Themen von Kunden stark nachgefragt, sodass die Kundenberater entsprechend aus- und weitergebildet werden sollten.

Und welche Schritte sollten Privatbanken jetzt einleiten, um sich für die Zukunft vorzubereiten?

Privatbanken sollten den zukünftigen Veränderungen frühzeitig, offen und strukturiert begegnen. Bei e.foresight unterstützen wir die Privatbanken in ihrer strategischen Steuerung von Innovation und empfehlen, die folgende fünf Fragen regelmässig zu diskutieren:

  • Was sind Trends und Szenarien für das Banking von morgen und 2025/2030?
  • An welche Szenarien glauben wir als Bankrat und weshalb (Evaluation)?
  • Was bedeutet es für meine Bank, wenn ich nichts mache (Simulation)?
  • Wie können wir im neuen Umfeld erfolgreich sein (Vision)?
  • Und wie komme ich schrittweise dahin (Strategie)?
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