Stefano Ferrazzini, e.foresight

«Die Distributed Ledger-Technologie (DLT) wird bereits in vielen Bereichen eingesetzt»

Stefano Ferrazzini, Experte für Blockchain-Themen bei e.foresight, erklärt im Interview die Erscheinungsformen und den Nutzen der neuen Technologien für Banken.

Text: Stefano Ferrazzini, Matthias Niklowitz, Bilder: Swisscom, Unsplash,

Blockchain, DLT, Bitcoin, DeFi - was ist das genau, wie hängt das alles zusammen?

Stefano Ferrazzini: Blockchain ist eine dezentral verwaltete Datenbank, auf welcher Geldeinheiten, Finanzanlagen (Aktien, Bonds, Derivate, Kredite), Besitzrechte (Autoregister, Grundbucheinträge) oder Grundrechte (Immobilien) dezentral abgespeichert und verwaltet werden. Oft wird sie auch als Distributed Ledger Technologie («Verteilte Hauptbuch-Technologie») bezeichnet.

 

In den vergangenen Jahren ist, ausgehend von der dezentralen Kryptowährung Bitcoin, eine ganz neue Branche entstanden. Diese entwickelt sich schnell weiter und offeriert mittlerweile, basierend auf sogenannten Smart Contracts (automatisierte «intelligente» Verträge), neue, dezentrale Finanzdienstleistungen, wie etwa für die Kreditvergabe, den Börsenhandel, Zahlungen oder Versicherungsleistungen. Bei diesem sich neu entwickelnden dezentralen Finanzbereich spricht man von Decentralized Finance (DeFi).

Warum sind das Themen, die für Banken wichtig sind?

Stefano Ferrazzini: Neben dem Risiko der Disruption durch neue Marktteilnehmer, was zu einer Abwanderung von Kunden und einer Verlagerung von Erträgen führt, ergeben sich für Banken neue Möglichkeiten. Beispielsweise lässt sich die Technologie innerhalb von Banken oder zwischen Banken für neue Handelssysteme oder im Bereich Mobile Payment einsetzen. Zudem sollte die Entwicklung der Kundennachfrage eng begleitet werden, um gegebenenfalls den Kunden Zugang zu diesen neuen Assetklassen und Dienstleistungen ermöglichen zu können.

Stefano Ferrazzini, Digital Banking Trend Analyst & Consultant in FinTech, e.foresight

Was heisst das für die zukünftigen Geschäftsmodelle von Banken?

Stefano Ferrazzini: Je nachdem, wie stark sich die Entwicklungen und die Kundennachfrage fortsetzen, werden Banken ihre Geschäftsmodelle erweitern. Dies kann die Einführung von Custody und Trading für Kunden bis hin zur Integration ganzer DeFi-Dienstleistungen beinhalten. Studien wie die Umfrage von e.foresight zum Thema «Einschätzung der Schweizer Bevölkerung zum Thema Kryptowährungen» zeigen das aktuelle Interesse in der Schweizer Bevölkerung auf und sind essenziell, um die Entwicklungen zu verstehen und das Ausmass der Disruption der Geschäftsmodelle besser einschätzen zu können.

Wo sieht man erste Anzeichen dieser Entwicklung bereits heute?

Stefano Ferrazzini: DLT wird bereits in vielen Bereichen eingesetzt. Sei es beispielsweise bei tokenisierten Handelsplätzen, wie sie auch in der Schweiz entstanden und in Betrieb genommen worden sind, bei neuen Zahlungsmitteln oder bei neuem digitalem Zentralbankengeld (CBDC). Das Schweizer Digital Asset Ökosystem ist eines der fortschrittlichsten der Welt und umfasst viele verschiedene Teilnehmende mit unterschiedlichsten Geschäftsmodellen und Hintergründen.

Und wie sollten Banken jetzt reagieren und handeln?

Stefano Ferrazzini: Banken müssen entscheiden, wie sie sich strategisch in diesem Thema positionieren und entsprechend zukünftig auf dem Markt wahrgenommen werden wollen. Das enge Begleiten der Entwicklungen und das Einschätzen neuer Trends, wie etwa bei Non Fungible Tokens (NFTs) oder bei tokenisierten Assets müssen verstanden werden, damit man über einen möglichen Einsatz entscheiden kann. Der Austausch mit dem Ökosystem und das aktive Mitgestalten und Verstehen ist hierbei essenziell für die zukünftige Form des Schweizer Finanzplatzes. Es ist sehr aufwändig und teilweise komplex, sich hier einen guten Überblick zu verschaffen.

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