«Spitalbetrieb neu gedacht»

Nicht kostendeckende Tarife und begrenzte Ressourcen setzen das Gesundheitswesen massiv unter Druck. Mithilfe von Prozessautomatisierung reduziert das Kantonsspital Graubünden administrative Belastungen, verbessert Datenqualität und schafft Raum für das, worauf es wirklich ankommt: hochstehende, sichere Versorgung. 

06. Juni 2025, Text: Christoph Widmer           4 Min.

Mit einer klaren Digitalisierungsstrategie

Nicht kostendeckende Tarife, immer weiter steigende regulatorische Anforderungen und damit wachsender administrativer Aufwand, der nicht vergütet wird, sowie eine herausfordernde Personalsituation stellen viele Spitäler in der Schweiz vor strukturelle Herausforderungen. In dieser Lage rückt die Frage in den Vordergrund, wie interne Abläufe effizienter gestaltet werden können, ohne die Versorgungs­qualität zu gefährden. Prozessautomatisierung wird dabei zunehmend zu einem strategischen Hebel – nicht nur zur Effizienzsteigerung, sondern auch zur gezielten Entlastung hochqualifizierter Fachkräfte. 

Das Kantonsspital Graubünden (KSGR) hat frühzeitig Konsequenzen gezogen: Mit einer klaren Digitalisierungsstrategie, getragen von der Geschäftsleitung und unterstützt durch kantonale Fördermittel, verfolgt das KSGR den Aufbau digitaler Strukturen mit messbarem Nutzen. Oberstes Ziel: Kostenersparnisse sowie die Entlastung des eigenen Personals. Markus Müntener, Abteilungsleiter Digitale Prozessentwicklung am KSGR, sagt: «Wir wollen nicht Mitarbeitende einsparen, sondern Zeit gewinnen – für eine bessere Patientenbetreuung ohne Arbeitsüberlastung.» 

«Wir wollen nicht Mitarbeitende einsparen, sondern Zeit gewinnen – für eine bessere Patientenbetreuung ohne Arbeitsüberlastung.»

Markus Müntener, Abteilungsleiter Digitale Prozessentwicklung am KSGR 

RPA: Software-Roboter übernehmen Routineaufgaben 

Ein zentrales Element für eine effizientere Arbeit im Spital ist die Einführung von Robotic Process Automation (RPA). RPA bezeichnet Software-Roboter (Bots), die regelbasierte, sich wiederholende Aufgaben übernehmen – zum Beispiel das Extrahieren und Übertragen von Daten zwischen IT-Systemen. Der Vorteil: RPA greift wie ein menschlicher Nutzer auf bestehende Benutzeroberflächen, Softwares und Systeme zu, ohne dass komplexe Schnittstellen notwendig sind. Das reduziert den Implemen­tierungs­aufwand und ermöglicht schnelle Erfolge. 
Dank ihrem technischen Know-how und Healthcare-Verständnis unterstützte Swisscom das KSGR bei der Projektrealisierung. Und zwar nicht nur, was die technische Entwicklung anbelangt, sondern auch die Methodik – etwa mit Workshops zu Prozessanalysen, Vorlagen zur Bewertung von Automatisierungs­potenzialen und konkreten Umsetzungs­empfehlungen. Die eigentliche Auswahl und Priorisierung der Prozesse erfolgten durch interne Fachbereiche, um die betriebliche Realität abzubilden. Schliesslich sollte RPA vorgängig für admini­strative Prozesse zum Einsatz kommen: «Die grösste Herausforderung im pflegerischen und medizinischen Bereich ist die hohe Komplexität der Prozesse – etwa beim Austritt, der je nach Diagnose und Behandlung unterschiedlich abläuft», hält Müntener fest. «Deshalb haben wir bewusst mit den standardisierten, admini­stra­tiven Prozessen begonnen, wo wir mit RPA verlässlich und ohne Risiko automatisieren können.» 

Schnell, präzise, selbstständig 

Ein Bereich für den Einsatz von RPA ist die automatisierte Prüfung und Aktualisierung von Patientenstammdaten. Wo früher die Informationen manuell von einem System ins andere übertragen werden mussten, sucht heute der RPA-Bot die aktuellen Daten und bringt sie automatisch auf den neusten Stand. Das vermindert Fehlabrechnungen und spart Nachbearbeitungszeit. 

Als weiteren Use Case nennt Müntener die Kostengutsprache für ausserkantonale Patientinnen und Patienten. Früher mussten Mitarbeitende täglich manuell Daten eintragen – heute erledigt das ein Bot vollautomatisch. Auch die Archivierung von Laborberichten externer Anbieter wurde automatisiert: Statt halbtägiger händischer Zuordnung erkennt das System dank optischer Zeichenerkennung die Auftragsnummer und ordnet den Bericht selbstständig korrekt zu. 
Zudem testet das KSGR bereits Wege, Ärztinnen und Ärzte mit KI zu unterstützen. Ein besonderes Leuchtturmprojekt ist die sogenannte Patient Summary: Sie fasst mithilfe eines LLM (Large Language Model) relevante medizinische Informationen aus Dutzenden von Dokumenten zusammen. «Die Krankengeschichte einer Patientin oder eines Patienten kann unter Umständen Jahre zurückreichen und aus bis zu 100 Dokumenten bestehen – von Laborunter­suchungen über Anamnesebögen bis zu Ein- und Austrittsberichten», erklärt Müntener. «Unsere automatisierte Patient Summary liefert in Sekunden Zusammenfassungen ganzer Krankenakten.» 

Auch im pflegerischen Bereich werden erste Automatisierungen umgesetzt. Dabei werden beispielsweise Vitalwerte bei Übertritten von Patientinnen und Patienten in andere Fachbereiche automatisch übertragen. 

«Wir automatisieren jährlich über 5000 Stunden manuelle Arbeit.»

Markus Müntener, Abteilungsleiter Digitale Prozessentwicklung am KSGR 

Technik allein reicht nicht 

Für die zielgerichtete Prozessautomatisierung im Gesundheitswesen bedarf es einer genauen Vorbereitung. Laut Markus Müntener ist die grösste Herausforderung die richtige Prozesswahl. Dazu brauche es Nähe zum Arbeitsalltag und ein tiefes Verständnis der Abläufe. Wichtig sei ausserdem die enge Zusammenarbeit mit den Fachbereichen. Prozesse dürfen nicht isoliert betrachtet werden, sondern müssen im Gesamtkontext stimmig bleiben. Gerade im medizinischen Bereich sei die Akzeptanz der neuen Lösungen absolut zentral. «Unsere Ärztinnen und Ärzte müssen sich auf die automatisierten Informationen verlassen können. Vertrauen ist hier alles.» 

RPA-Tipps für Leistungserbringer: 

  • Prozesse ganzheitlich betrachten: Automatisierung muss im Gesamtkontext der Prozesse betrachtet werden. Nur wer den gesamten Ablauf kennt, kann sinnvoll digitalisieren. 
  • Geeignete Prozesse priorisieren: Technische Machbarkeit, Nutzenpotenzial und organisatorische Umsetzbarkeit müssen in Einklang stehen. 
  • Vorbehalte ernst nehmen: Gerade in medizinischen Bereichen ist Akzeptanz entscheidend. Transparente Kommunikation schafft Vertrauen. 
  • Interne Kompetenzen aufbauen: Der Betrieb und die Weiterentwicklung von RPA-Lösungen erfordert internes Know-how vor Ort – externes Consulting allein genügt nicht, um langfristig weiter erfolgreich Prozesse automatisieren zu können. 

5000 Stunden Zeitgewinn 

Aktuell sind nebst etlichen «internen» ICT-Bots sieben Bots im KSGR ebenfalls produktiv im Einsatz. Mit messbarem Erfolg: «Wir auto­matisieren jährlich über 5000 Stunden manuelle Arbeit», hält Markus Müntener erfreut fest. Die gewonnene Zeit komme dabei der Erlössicherung, der Versorgungsqualität und der Arbeitszufriedenheit zugute. Ausserdem würden durch die Automatisierungen die betrieblichen Abläufe des Spitals deutlich optimiert – mit besserer Datenqualität und weniger Fehler­quellen. 

Das KSGR profitiert nicht nur intern von seinen Fortschritten – es versteht sich auch als Impulsgeber im Kanton. Die kantonale Unterstützung bei der Digitalisierung eröffnet die Möglichkeit, entwickelte Lösungen auch anderen Spitälern zugänglich zu machen. Ziel ist es, gemeinsam von Erfahrungen zu profitieren, bestehende Potenziale systematisch zu nutzen und so die Gesundheitsversorgung im ganzen Kanton Graubünden nachhaltig zu stärken. 

Das Beispiel KSGR zeigt: Prozessautomatisierung ist kein Selbstzweck, sondern ein strategisches Mittel, um ein Spital auch unter schwierigen Rahmenbedin­ungen zukunftsfähig zu machen. Sie schafft nicht nur Effizienz, sondern auch Spielraum für das, worauf es letztlich ankommt – hochstehende, sichere Versorgung und entlastete Fachkräfte. 

Prozessautomatisierung im Gesundheitswesen

Swisscom verfügt über fundiertes Wissen in der Automatisierung von Geschäftsprozessen, kennt die speziellen Anforderungen im Gesundheitswesen und unterstützt Spitäler und weitere Leistungserbringer – von der Erstberatung bis zur Kontrolle im laufenden Betrieb der Lösung. Als erfahrener Schweizer Technologiepartner im Health-Bereich bietet Swisscom – gemeinsam mit Partnern wie UiPath – langjährige Expertise in der Prozessautomatisierung zu fairen Konditionen.

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