eHealth in der Telemedizin

Medgate: Ans Telefon statt in die Notfallstation


Mit der telefonischen Patientenbehandlung entlastet Medgate Spitäler, Praxen und Notfallstationen. Die Ärzte nutzen dazu digitale Patientendossiers und Behandlungspläne, die Patienten eHealth-Apps.


Text: Christoph Widmer,




6 Millionen Telekonsultationen, bis zu 5000 Patientenkontakte an Spitzentagen, 70 Ärzte aus verschiedenen Fachgebieten: Seit seiner Inbetriebnahme im Jahr 2000 läuft das Telemedicine Center von Medgate rund um die Uhr. Damals leistete Medgate für die Schweizer Telemedizin Pionierarbeit. Heute erfreut sich das Konzept grosser Beliebtheit: Die telefonische Patientenbehandlung spart den Krankenkassen Kosten. Um mehrfache Abklärungen und unnötige Arztbesuche zu vermeiden, kontaktieren zum Beispiel Patienten in Telmed-Versicherungsmodellen immer zuerst einen Arzt des Telemedizinischen Zentrums von Medgate und lassen sich von diesem beraten und behandeln. Andere Versicherer werben mit dem Service dagegen als Zusatzdienstleistung für Kunden. Dabei finanziert sich Medgate über Tarife, die das Unternehmen mit den Krankenkassen ausgehandelt hat.


Die Telemedizin entlastet neben Patienten und Versicherern auch andere Leistungserbringer: «Gerade Notfallstationen sind häufig überfüllt, auch von Bagatellfällen», erklärt Céline Klauser, Fachverantwortliche Public Relations von Medgate. «Fälle, die nicht dort behandelt werden müssen, können dank der Telemedizin ausgelagert werden.»




Die Medgate App in Aktion.


Ferndiagnose 2.0

Für die Behandlung greift Medgate auf digitale Hilfsmittel zurück: Bei Patienten, die zum ersten Mal anrufen, erstellt das Telemedicine Center ein Patientendossier mit den wichtigsten administrativen Informationen wie Name, Adresse und Versichertennummer. Im Dossier wird auch die Krankengeschichte des Patienten dokumentiert.


Am Patientenempfang wird das Anliegen des Patienten aufgenommen und ein Rückruftermin vereinbart: Der Medgate-Arzt kontaktiert den Patienten kurz darauf zum vereinbarten Zeitpunkt und beginnt mit der eigentlichen Behandlung durch Befragungen und Handlungsanweisungen. «So können sich die Ärzte ein genaues Bild vom Zustand des Patienten machen», erklärt Klauser. «Dazu sind nebst dem medizinischen Fachwissen auch viel Empathie und sehr gute Kommunikationsfähigkeiten nötig.»


Bei einer abschliessenden Behandlung ist kein weiterer Arztbesuch nötig. Bei Bedarf verschreibt der Medgate-Arzt dem Patienten ein Medikament und verschickt das Rezept an eine Apotheke in dessen Nähe. In rund der Hälfte aller Fälle kann Medgate ihre Patienten abschliessend behandeln. Bei allen anderen Fällen weist der Telemediziner den Patienten zum richtigen Zeitpunkt an die optimale Stelle weiter – z.B. zu einem Allgemeinmediziner, einem Spezialisten oder an ein Spital. Bei Überweisungen wird ausserdem ein Überweisungsschreiben mit allen wichtigen Informationen an den Arzt gesandt.


Mit seinem Einverständnis erhält der Patient zudem seinen persönlichen Behandlungsplan per SMS oder per E-Mail. Dieser enthält besprochene Therapieempfehlungen oder im Falle einer Weiterweisung alle Informationen zum weiterbehandelnden Arzt.


«Nebst dem medizinischen Fachwissen sind für die Behandlung auch viel Empathie und sehr gute Kommunikationsfähigkeiten nötig.»


Céline Klauser, Fachverantwortliche Public Relations, Medgate




Diagnose-Foto per App

Ihren Kunden stellt Medgate den «360˚Healthmanager» zur Verfügung. Mit dieser Handy-App können Patienten im Rahmen der Telekonsultation Medikamente bestellen oder den Ärzten Fotos von Haut- und Augenveränderungen oder Verletzungen senden. Wie bei den Telefongesprächen, die Medgate aufzeichnet, ist auch der Datentransfer über die App sicher: «Wir arbeiten mit SSL-verschlüsselten Übermittlungsprotokollen», erklärt Klauser. Medgate speichert alle Patientendossiers und Tonaufnahmen in hochsicheren Schweizer Datenbanken – und meidet bewusst riskante Kommunikationslösungen: «Wir behandeln unsere Patienten beispielsweise nicht über Skype – weil wir dort keine Garantie für einen ausreichenden Datenschutz übernehmen können.»


«Wenn man keine gemeinsame Sprache zur Verständigung findet, ist die erste Grenze bereits erreicht.»


Céline Klauser


In der Medgate-App integriert ist das Gesundheitsdossier Evita von Swisscom, die seit 2006 an Medgate beteiligt ist. Nutzer können für die Behandlung Dokumente freigeben oder Medgate dazu ermächtigen, ins Dossier hineinzuschreiben. So ermöglicht Evita Medgate den Datenaustausch mit Leistungserbringern, die ebenfalls der eHealth-Strategie des Bundes folgen.


Die Telemedizin kennt aber auch klare Grenzen. Etwa sprachliche Barrieren: «Wenn man keine gemeinsame Sprache zur Verständigung findet, ist die erste Grenze bereits erreicht», sagt Klauser. Auch wenn Eingriffe oder Labordaten für die Diagnosestellung nötig sind, ist ein Arztbesuch momentan noch unumgänglich. Der Patient könnte in Zukunft aber auch selbst an der Datenerfassung beteiligt sein: Medgate rechnet damit, dass Patienten schon bald selbst Körperfunktions- oder Verhaltensdaten erfassen und übermitteln. Insbesondere chronisch kranke Patienten könnten von dieser dezentralen Betreuung profitieren.


Die Telemedizin kennt aber auch klare Grenzen. Etwa sprachliche Barrieren: «Wenn man keine gemeinsame Sprache zur Verständigung findet, ist die erste Grenze bereits erreicht», sagt Klauser. Auch wenn Eingriffe oder Labordaten für die Diagnosestellung nötig sind, ist ein Arztbesuch momentan noch unumgänglich. Der Patient könnte in Zukunft aber auch selbst an der Datenerfassung beteiligt sein: Medgate rechnet damit, dass Patienten schon bald selbst Körperfunktions- oder Verhaltensdaten erfassen und übermitteln. Insbesondere chronisch kranke Patienten könnten von dieser dezentralen Betreuung profitieren.




Telemedizin in der Schweiz und im Ausland


In der Schweiz erfreut sich die Telemedizin – mit Medgate und Medi24 als Pioniere und führende Anbieter – zunehmender Beliebtheit. Immer mehr Schweizer schliessen die Grundversicherung mit einem Telmed-Modell ab. Grundsätzlich werden in ganz Europa verstärkt telemedizinische Lösungen für ärztliche Kommunikation und Patientenüberwachung lanciert – vor allem dort, wo es keine rechtlichen Hürden gibt. So gilt in Deutschland etwa das Fernbehandlungsverbot, durch das Ärzte ihre Patienten nicht ausschliesslich via Telefon oder Video behandeln dürfen. Dafür hat sich die von deutschen Neurologen vorangetriebene Schlaganfall-Telemedizin im Ausland – vor allem in Grossbritannien – etabliert.


Die Nachfrage nach telemedizinischen Angeboten nimmt aber auch ausserhalb Europas zu: Medgate führt etwa telemedizinische Zentren in Abu-Dhabi, Australien und den Philippinen. Und 2015 öffnete mit dem «Mercy Virtual Care Center» in Minnesota das grösste Telemedizin-Zentrum der Welt. 300 medizinische Fachpersonen sind dort für Krankenhauspatienten aus verschiedenen Bundesstaaten verantwortlich. Den Trend, via Telemedizin Patienten anderer Leistungserbringer zu behandeln, gibt es auch in der Schweiz: Mit netCare ergänzen ausgewählte Apotheken ihr Serviceportfolio mit einer Telemedizinischen Beratung durch Medgate.




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