FHNW-Cloud-Studie 2018 

«Die Cloud verlangt nach neuen Rollen»


Unternehmen können die Auswirkungen der Cloud immer noch nicht richtig abschätzen. Das zeigt die diesjährige Cloud-Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW). Wie sich Entscheidungsträger dieses Wissen erarbeiten können, erklärt Studienleiterin Stella Gatziu Grivas.


Text: Christoph Widmer, Bilder: Thomas Egli, 2. Juli 2018




Frau Gatziu Grivas, was war die Motivation für die FHNW-Cloud-Studie?


In unserer letztjährigen CIO-Studie befragten wir die Teilnehmenden auch zur Cloud-Maturität in ihrem Unternehmen. Wir wollten herausfinden, wie gut vorbereitet Unternehmen für den Einsatz von Cloud-Technologien sind. Die Antworten der Befragten deuteten darauf hin, dass bezüglich der Cloud womöglich ein Spannungsfeld zwischen dem Business und der IT herrschte. Oft waren sich die Funktionsgruppen nicht einig über die eigentliche Motivation und die Vorbereitung eines Cloud-Einsatzes. Mit der diesjährigen Cloud-Studie wollten wir den Fokus auf diese Punkte legen.



Prof. Dr. Stella Gatziu Grivas, Institut für Wirtschaftsinformatik FHNW

Prof. Dr. Stella Gatziu Grivas, Institut für Wirtschaftsinformatik FHNW



Hat sich dieser Eindruck bewahrheitet?


Als Hauptmotivation für den Cloud-Einsatz wird überwiegend Kostenreduktion aufgeführt, und zwar vom Grossteil der befragten Funktionsgruppen. Dass die Cloud unerlässlich für die digitale Transformation des eigenen Unternehmens ist, erkennen vor allem die Cloud-Provider selber. Bei den anderen Funktionsgruppen wie etwa den Business-Fachverantwortlichen, CIOs oder auch IT-Architekten, ist dieses Verständnis noch nicht stark vorhanden.


«Nur wenige IT-Architekten der Auswirkungen der Cloud bewusst.»


Prof. Stella Gatziu Grivas, FHNW


Das deckt sich auch mit den weiteren Studienergebnissen: Die Auswirkungen der Cloud auf Business- und IT-Prozesse können nur wenige wirklich abschätzen. Waren Sie überrascht von diesem Resultat?


Ja. Vor allem, dass sich nur wenige IT-Architekten der Auswirkungen der Cloud bewusst sind, hat mich sehr überrascht.


Warum?


IT-Architekten spielen eine sehr wichtige Rolle bei der Positionierung der Cloud. Sie kennen die Daten- und Business-Architektur und sind mit den entsprechenden Prozessen vertraut. Deshalb haben sie eine übergeordnete Rolle, was die Kommunikation über die Möglichkeiten der Cloud betrifft. In Unternehmen herrscht darüber noch wenig Transparenz.


Also scheitern IT-Architekten an ihren Aufgaben?


Ich denke, die ganze Cloud-Thematik wird schon länger eingeschränkt betrachtet. Man sah primär die Risiken der Cloud. Und wenn doch ein Potenzial erkannt wurde, dann vor allem das, Kosten zu sparen. Dieses verzerrte Bild führt auch heute noch dazu, dass die Cloud im gesamten Unternehmen nicht als Enabler der Digitalisierung gesehen wird – selbst von den IT-Architekten. Eingesparte Kosten sind leicht erkennbar: Man vergleicht die Zahlen von heute mit den Zahlen von morgen. Doch was es bedeutet, wenn man Kosten spart, wo man die Ersparnisse wieder einsetzt, wie sich die Cloud also aufs Business auswirkt, ist schwer greifbar. Der Spruch «keine Digitalisierung ohne Cloud» mag wie ein Werbeslogan klingen. Es steckt aber sehr viel dahinter. Die Cloud ist eine komplexe Angelegenheit.


Eine Digitalisierungsstrategie, in der die strategische Positionierung der Cloud genau festgehalten wird, könnte hier Klarheit verschaffen. Wer im Unternehmen stösst diese an?


Bei unserer letztjährigen Studie sagten viele CIOs von sich aus, dass sie sich auch in der Rolle des CDO sehen. So denken viele vom IT-Management, dass sie für die Digitalisierung verantwortlich sind. Es ist richtig, dass sie das als ihre Aufgabe sehen. Die Schwierigkeit besteht darin, die Digitalisierungsstrategie auch entsprechend zu kommunizieren und umzusetzen.


«Der Weg in die Cloud bringt zwangsläufig eine Reorganisation im Unternehmen mit sich.»


Prof. Stella Gatziu Grivas, FHNW


Wie gelingt das?


Die Cloud verlangt nach neuen Rollen. Im Unternehmen muss genau geregelt sein, wer für die Cloud-Strategie verantwortlich ist, wer die Anforderungen des Business abholt, oder wer ihm beispielsweise mit Technologie-Scoutings die Möglichkeiten verschiedener Cloud-Lösungen vermittelt. Der Weg in die Cloud bringt also zwangsläufig eine Reorganisation im Unternehmen mit sich. Deshalb verlangt eine konsequente Cloud-Strategie auch eine Transformations-Roadmap, welche die neuen Verantwortlichkeiten festhält. Unsere beiden Studien zeigten, dass dieses Verständnis in vielen Unternehmen noch nicht vorhanden ist.



 Prof. Dr. Stella Gatziu Grivas, Institut für Wirtschaftsinformatik FHNW


Was muss die IT im Zuge der Cloud-Transformation neu leisten?


Die IT nimmt die neue Rolle des Cloud-Brokers wahr. Sie verwaltet den ganzen Service-Katalog und kennt die Kriterien, die Cloud-Provider für die eigenen Compliance- und Governance-Vorgaben erfüllen müssen. So ist die IT zuständig für die Realisierung der Digitalisierungs- bzw. Cloud-Strategie und eine Art Bindeglied zwischen Business und der Cloud. Auf diese Weise wird auch verhindert, dass das Business ohne Involvierung der IT neue Cloud-Services einsetzt – also Schatten-IT nutzt. Die IT-Abteilung muss die neuen Services integrieren und erkennt schnell, ob es sich um einen geeigneten Provider handelt oder nicht. Daher ist diese Rolle bei der Cloud-Transformation zentral. Dazu kommen weitere Rollen wie der Sourcing Manager, der Cloud Lifecycle Manager oder der Cloud Monitoring Manager.


Mit einer neu aufgestellten IT ist es also bereits getan?


Wichtig ist die Herangehensweise. Der Weg in die Cloud sollte nicht als bottom-up-Vorgehen verstanden werden, bei dem man bloss einzelne Systeme wie das CRM oder das ERP in die Cloud überführt. Wer sich auf einzelne Services beschränkt, kann Chancen übersehen. Wer hingegen eine Top-Down-Strategie fährt, und versucht, sich einen gesamtheitlichen Überblick über Cloud-Angebote zu verschaffen, erkennt, wie man die Cloud am effektivsten für sein Unternehmen nutzen kann. Deshalb muss man sich zuerst ein ganzheitliches Bild über die Möglichkeiten der Cloud verschaffen.


Das gilt aber auch für das Business.


Absolut. Die Top-Down-Strategie muss unbedingt zusammen mit dem Business erarbeitet werden. Aber jemand muss den Lead haben.


Der CIO?


Es kann der CIO sein, es können aber auch IT-Architekten, die Fachverantwortlichen oder Personen aus der Geschäftsleitung sein. Unternehmen können sich auch externes Wissen von Cloud-Providern holen, da diese die Cloud bei sich schon längst strategisch positioniert haben. Allerdings mit einem klaren Auftrag.


Was heisst das?


Dass sich auch das Business und die IT Wissen angeeignet haben und nicht alle Ratschläge von externen Beratern kritiklos beherzigen. Der Consultant muss im Gespräch herausgefordert werden. Es reicht nicht, sich voll und ganz auf ihn zu verlassen. Unternehmen müssen ihre Hausaufgaben schon machen.



Zur Person


Stella Gatziu Grivas ist Professorin am Institut für Wirtschaftsinformatik an der Fachhochschule Nordwestschweiz und Leiterin des Kompetenzschwerpunkts Cloud Computing, Digitalisation & Transformation. Sie ist im Vorstand von EuroCloud Swiss und für die Kongressleitung des FHNW Cloud Use Cases Days verantwortlich.





Hand with smartphone

Newsletter

Möchten Sie regelmässig spannende Artikel und Whitepaper zu aktuellen ICT-Themen erhalten?




Mehr zum Thema