Die Resilienz gegen Cyberangriffe ist zentral, um den Betrieb eines Unternehmens bei einer Attacke aufrechtzuerhalten. Dieser Artikel beleuchtet praxisnahe Ansätze zur Stärkung der Cyberresilienz und fasst die wichtigsten Schritte und Massnahmen in einer Checkliste zusammen.
September 2024, Text Andreas Heer 4 Min.
Die Fragen nach der Widerstandskraft auf einen Cyberangriff sind schnell gestellt: Wie kann ich den Betrieb nach einer Ransomware-Attacke oder bei einem DDoS-Angriff gewährleisten? Bin ich von neuartigen Sicherheitslücken und Angriffsformen betroffen, und welchen Einfluss haben sie? Die Antworten auf solche und ähnliche Fragen der Cyberresilienz eines Unternehmens sind dagegen etwas schwieriger zu finden. Sie laufen darauf hinaus, die eigene Cybersecurity Posture zu kennen, den aktuellen Stand des Schutzes.
Dieser Artikel beleuchtet praxisnahe Ansätze zur Stärkung der Cyberresilienz. Die wichtigsten Schritte fasst eine Checkliste am Schluss des Textes zusammen.
Die Analyse des Ist-Zustands ist zentral, um Schwachstellen in der eigenen Cyberdefence zu erkennen und zu beheben. «Wir überwachen die generelle Bedrohungslage, führen laufend Risikoanalysen durch und validieren unsere Sicherheitsmassnahmen», fasst Marco Wyrsch, Chief Security Officer (CSO) von Swisscom, diesen Schritt zusammen.
Dahinter steckt ein ganzes Bündel an Vorkehrungen, das Technologie, Prozesse und Menschen umfasst: etwa Penetration Tests, Vulnerability Scanning oder Red Teaming, um Schwachstellen in der Infrastruktur aufzudecken. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Zusammenarbeit mit Personen und Organisationen ausserhalb des Unternehmens, betont Marco Wyrsch: «Mit unserem Bug-Bounty-Programm erhalten wir wertvolle Hinweise auf Schwachstellen in unseren eigenen Angeboten, während der Informationsaustausch mit Partnern Einblicke liefert, die wir in unsere Cyberdefence einfliessen lassen können.»
In der Kombination liefert dieses permanente Monitoring der Situation und der Infrastruktur eine Vielzahl von Signalen. «Das ist eine Herausforderung», gibt Marco Wyrsch zu. «Wir gehen deshalb risikoorientiert vor und setzen auf Werkzeuge, die uns helfen, die richtigen Prioritäten zu setzen.»
Aus diesen Prioritäten werden Massnahmen, die gemäss den Phasen des NIST Cybersecurity Frameworks (CSF) eingeordnet und umgesetzt werden. «Es handelt sich hierbei um organisatorische, prozedurale und technische Massnahmen, aber auch um solche, die das Potential der Mitarbeitenden adressieren», führt Marco Wyrsch aus. Der Mensch steht dabei im Zentrum, betont der Swisscom CSO: «Wir wollen die Mitarbeitenden befähigen, ihren Job auf eine sichere Art und Weise zu erledigen. Damit schaffen wir wiederum Sicherheit für die Mitarbeitenden und damit auch eine Resilienz, die nicht nur bis zur Technik reicht, sondern bis zu jedem einzelnen Mitarbeitenden.»
Für den technischen Schutz setzt Marco Wyrsch auf zeitgemässe Ansätze wie Security by Design oder die mehrstufige Defence in Depth. «Vermehrt kommen auch Zero-Trust-Ansätze zum Einsatz», ergänzt er.
Mehrstufig sind auch die Ansätze für Erkennung und Reaktion auf Vorfälle, die Threat Detection and Response. «Wir optimieren hier laufend», sagt Marco Wyrsch. «Einerseits, um immer auf dem Stand der Technik und der Bedrohungslage zu sein. Andererseits, um den Cybersecurity-Mitarbeitenden ein attraktives Arbeitsumfeld bieten zu können, in dem sie sich möglichst wenig mit trivialen Vorfällen beschäftigen müssen.» Deren Behandlung wird wenn möglich automatisiert und mittels Machine Learning oder generativer KI zumindest vortriagiert und aufbereitet.
Genauso wie Cybersecurity-Massnahmen auf verschiedenen Ebenen stattfinden, erfolgt auch deren Umsetzung und Weiterentwicklung in verschiedenen Informatik- und Geschäftsbereichen. Damit eine Sicherheitskultur im ganzen Unternehmen gelebt wird, ist diese bereichsübergreifende Zusammenarbeit nötig, betont Marco Wyrsch: «Die Zusammenarbeit ist der Schlüssel für den Erfolg der Sicherheitsmassnahmen und fürs Etablieren einer resilienten Organisation. Ohne die Menschen, die tagtäglich die entsprechenden Massnahmen auch umsetzen, weiterentwickeln und betreiben, wäre die notwendige Skalierung gar nicht möglich.»
Aufgrund einer zunehmenden Zahl an Regulatorien wird Cybersecurity auch aus Compliance-Sicht und somit aus einer rechtlichen Perspektive immer wichtiger. Die Rolle beschreibt Marco Wyrsch so: «Oft ist Security die Brücke zwischen Geschäftseinheiten wie der IT und den verschiedenen Rechtsbereichen, um Compliance-Anforderungen umzusetzen, und dabei mit risikobasierten Massnahmen eine wirksame und resiliente Cyberdefence zu etablieren.»
Der Faktor Mensch spielt nicht nur eine Rolle als «first line of defence», sondern auch zur Stärkung der Cyberresilienz. «Durch die enge Zusammenarbeit können wir sicherstellen, dass unsere Cyberstrategie umfassend und auf allen Ebenen des Unternehmens verankert ist», sagt dazu Marco Wyrsch. Dazu gehört auch, dass das Management involviert ist und Prioritäten bei den Security-Themen setzt.
Doch die besten Massnahmen nützen nichts, wenn sie nicht regelmässig getestet und bei Bedarf angepasst werden. Die realen Cyberattacken dienen auch als Prüfstein, sagt Marco Wyrsch: «Unsere Incident-Response-Pläne kommen dadurch immer wieder zum Einsatz und werden dabei sowohl geübt als auch getestet.»
Das gilt zumindest für häufige Formen von Angriffen wie etwa Ransomware, Phishing oder DDoS. Unternehmen müssen aber auch für weniger häufige Szenarien gerüstet sein. «Diese testen wir beispielsweise im Rahmen von Red Teaming oder mit anderen Methoden wie Tabletop Exercises», erläutert Marco Wyrsch. «Seltenere Szenarien sind jedoch eine Herausforderung, um immer bereit zu sein und jederzeit die Pläne in einer relativ aktuellen Version bereit zu haben.»
Das wiederholte Prüfen und Anpassen von Massnahmen ist zentral für eine wirksame Cyberresilienz. Denn die Dynamik auf Angreiferseite ist hoch. Cyberkriminelle sind einfallsreich, wenn es darum geht, neue Angriffsformen zu entwickeln und bestehende Schutzmassnahmen auszuhebeln. Hinzu kommen neue Schwachstellen, auf die die Cyberdefence reagieren muss. Zudem steigt mit der vermehrten Nutzung von Cloud-Diensten und SaaS die Komplexität, das Risiko für Konfigurationsfehler nimmt zu.
Da immer vorbereitet zu sein ist keine einfache Aufgabe, so Marco Wyrsch: «Es ist oft eine Herausforderung, ausreichende finanzielle und personelle Ressourcen bereitzustellen, um alle notwendigen Sicherheitsmassnahmen zu implementieren und aufrecht zu erhalten.» Und weil selbst der beste Schutz durch menschliches Fehlverhalten ausgehebelt werden kann, ist auch Security Awareness ein Dauerthema. «Wir müssen konstant für das Thema werben und die Mitarbeitenden aktiv dabei unterstützen, ihren Job auf eine sichere Art und Weise zu erledigen», sagt Marco Wyrsch.
Die Cyberresilienz aufrechtzuerhalten, ist eine Daueraufgabe. Das Rezept dazu fasst Marco Wyrsch wie folgt zusammen: «Wir leben eine kontinuierliche Weiterentwicklung, hinterfragen Bestehendes und versuchen, unsere Ressourcen so optimal wie möglich auf die Bedrohungslage abzustimmen, um das Unternehmen resilient gegenüber Cyberattacken aufzustellen.»