Moderner Führungsstil
Viele Unternehmen forcieren flexible Arbeitsmodelle. «Smart Work» heisst die Devise. Doch zeitlich und örtlich flexibles Arbeiten, Desk-Sharing und Home-Office fordern alle – insbesondere das mittlere Management.
Jörg Rothweiler,
Digitalisierung, Mobilgeräte, veränderte Lebensgewohnheiten und ein hoher Wissensanteil der Arbeitnehmer sind die Treiber für flexible Arbeitsformen. Das moderne Arbeitsumfeld ist hoch dynamisch. Starre Arbeitszeiten, fixe Arbeitsorte und steile Hierarchien stehen dem im Weg. Immer mehr Menschen arbeiten unterwegs – oder Teilzeit. Und immer mehr Unternehmen teilen die Arbeit in kleinere, von massgeschneiderten Teams gemanagte Projekte auf. Denn neben zeitlicher und räumlicher Unabhängigkeit braucht es organisatorische Flexibilität, um Vorteile und Spareffekte voll nutzen zu können.
Und die Chancen sind vielfältig, wie Studien und Statistiken belegen. Für das Unternehmen ebenso wie für Mitarbeitende und Gesellschaft. Smart Working verbessert die Work-Life-Balance, steigert Motivation, Produktivität und Eigenverantwortung, erleichtert es, Familie, Job und Freizeit unter einen Hut zu bringen. Dank Teilzeit bleiben gut ausgebildete Mütter dem Arbeitsmarkt erhalten. Die Gebäudeinfrastruktur profitiert vom Desk-Sharing, das zudem Arbeitsplatzwechsel kinderleicht macht – was enorm Kosten spart. Überdies werden ÖV, Verkehrsinfrastruktur und Umwelt entlastet.
Neben den skandinavischen Ländern und Frankreich gehört die Schweiz zu den Pionieren. Bei Swisscom arbeiten mehr als 10’000 Menschen flexibel, viele ohne fixen Arbeitsplatz. Bei der Credit Suisse sind es weltweit rund 14’000, davon 5000 in der Schweiz. Zuständig für das Change Management der CS ist Hugo Lombriser. Er ist seit 36 Jahren bei der CS. Seit 2010 begleitet er Mitarbeitende und Führungskräfte beim Wechsel zum Smart Working. Seine Quintessenz: «Der Knackpunkt ist das Mindset.» Während jenen, die offen für Neues sind und eher die Vorteile sehen, denen die Umstellung leicht falle, bekundeten konservative Geister Mühe. «Immer wieder brechen alte Muster auf. Manche meinen, flexibles Arbeiten bedeute Narrenfreiheit. Andere annektieren Einzelbüros oder sichern sich dezidierte Bereiche im Desk-Sharing-Büro», hat er beobachtet. Die Schlüsselstelle sei, sagt Lombriser, das mittlere Management: «Das Top-Management setzt die Idee durch. Doch betroffen ist vor allem die Mitte, die sich einen neuen Führungsstil aneignen muss.»
«Smart Working ist ein klares Argument, um junge Talente anzuziehen!»
Hugo Lombriser
Das sieht Dr. Johann Weichbrodt genauso. Der Organisationspsychologe und wissenschaftliche Mitarbeiter der Fachhochschule Nordwestschweiz, Hochschule für Angewandte Psychologie, erforscht die mobil-flexible Arbeit und die dafür nötigen Veränderungsprozesse. Für diverse Forschungsarbeiten und Studien (siehe Box) sprach er mit vielen Betroffenen, analysierte, was beim Wechsel geschieht. Und er weiss: «Die mittlere Führungsebene ist am direktesten von den Veränderungen betroffen – und hat zugleich die schlechteste Kosten-Nutzen-Balance.»
«Smart Working muss stufenweise eingeführt werden und bedarf klarer Regeln.»
Johann Weichbrodt
Einerseits, so Weichbrodt, praktiziere die mittlere Ebene bereits Flexible Working, arbeite nicht selten am Abend oder am Wochenende zuhause – oft gezwungenermassen. Andererseits befinde sie sich im Sandwich zwischen Druck von oben und steigenden Anforderungen von unten. «Das mittlere Management kämpft bereits mit immer mehr Kurzfristigkeit – und nun bricht das Räumliche und Zeitliche noch mehr auf. Da sind Konflikte programmiert», so der Forscher. Zur Lösung des Dilemmas empfiehlt er, der Umstellung reichlich Zeit einzuräumen – und Profis an Bord zu holen.
Ein Rat, den Hugo Lombriser nur unterstreichen kann. «Man muss den Prozess eng begleiten. Sonst wird es nicht funktionieren», mahnt er. Schliesslich birgt Smart Working neben vielen Chancen auch Fallstricke. Weichbrodt: «Durch das Ineinanderfliessen von Arbeit und anderen Lebensbereichen drohen Selbstausbeutung und chronische Übermüdung. Daher sind klare Leitplanken unerlässlich.» Zudem sind neue Technologien vonnöten. Und die Führungsebene muss grundlegend umdenken, sich neu orientieren.
Lombriser: «Nicht wenige Manager führen noch immer nach dem Prinzip der Sichtbarkeit. Ihre Kontrollinstanz ist die Präsenz: Wer da ist, arbeitet. Wer lange da ist, arbeitet viel. Sind die Leute aber zeitlich und örtlich flexibel, klappt das, was ohnehin nur Scheinkontrolle ist, nicht mehr. Statt Präsenz wird die Leistung, der konkrete Output zum Kontrollmass. Das fordert die Führung. Denn diese muss dazu genau wissen, was jemand konkret macht und wie viel Zeit dafür nötig ist.» Das heisst: Der Chef muss nicht nur den Mitarbeitenden, sondern vor allem auch dessen Job gut kennen.
«Idealerweise wird der Mix zwischen Home Office, Teamtreffen und Meetings im Unternehmen intelligent zusammengefügt.»
Hugo Lombriser
Zudem, so die Experten, brauche es mehr Empathie, Selbstmanagement und Vertrauen. Ein flexibler und adaptiver Führungsstil sei gut, doch müsse die Führung auch Grenzen setzen, wenn Mitarbeitende mit dem flexiblen Arbeiten überfordert sind. Das Ziel müsse sein, alle Aufgaben so zu konfigurieren, dass sich Kooperation, Partizipation und Solidarität die Waage halten. Entsprechend sei die Führungsarbeit im «Flexible Office» nicht nur anspruchsvoll, sondern auch zeitaufwendig. Doch sie bietet auch neue Vorteile, sagt Hugo Lombriser: «Als Führungsperson kann ich mich dort hinsetzen, wo ich am dringendsten gebraucht werde. Damit bin ich involviert, gut informiert und muss mich nicht erst nachträglich in Sitzungen nach dem Stand der Dinge erkundigen.»
Das und die eigene Vorbildfunktion zwingen auch das Top-Management, umzudenken. Denn das Commitment der obersten Ebene zu mobil-flexibler Arbeit ist essenziell für den Erfolg. Das heisst: Das Top-Management muss Fairness zeigen und die Idee aktiv vorleben. Wer am eigenen Mega-Büro festhält, selbst keinen ziel- und ergebnisorientierten Führungsstil praktiziert, steile Hierarchien zementiert, die Zusammenarbeit von IT, HR und Facility Management nicht stärkt und weder Pilotprojekte, Probezeiten noch Evaluationen bewilligt, um den Übergang zu erleichtern, wird scheitern. Wer sich aber auf Smart Working einlässt, den nötigen Atem hat und auf erfahrene Begleitung setzt, wird langfristig profitieren. Denn die nachrückende Generation fordert Smart Working ein – heute schon.
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2015 von SBB, Swisscom, Microsoft Schweiz, Mobiliar, Post und Witzig The Office Company gegründet. Bis heute haben 85 Schweizer Unternehmen die Work Smart Charta unterzeichnet.
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