Predictive Analytics

Daten sagen die Zukunft voraus


Aus der Vergangenheit zu lernen, um die Zukunft zu meistern – für Unternehmen heisst das: Die Wahrscheinlichkeit von zukünftigen Ereignissen mittels Predictive Analytics abzuschätzen, um so relevante Schlüsse für die Zukunft zu ziehen. 


Text: Felix Raymann, Bilder: Alamy, Keystone, Strandperle, 20




Eine Kristallkugel anzuschaffen oder auf die Dienste einer Wahrsagerin zu zählen, dürfte für die meisten Unternehmen keine Option sein, um ihre HR-Performance zu verbessern. Was also tun, um herauszufinden, welche wertvollen Mitarbeiter bald kündigen? Wie spürt man intern jene Mitarbeitenden auf, die sich in Zukunft als förderungswürdige Talente entpuppen? Zielführend dürfte Predictive Analytics sein: Anhand von Unternehmensdaten werden Wahrscheinlichkeiten für eintretende Ereignisse berechnet. Die Methode erlaubt es, mittels statistischer Verhaltensmuster komplexe wirtschaftliche Zusammenhänge vorherzusagen.


In den gesammelten Daten steckt viel Potenzial

Der Fachkräftemangel in gewissen Branchen ist beängstigend: Die besten Mitarbeitenden kündigen, während der interne Nachwuchs noch nicht bereitsteht. Um aus dieser unvorteilhaften Personalsituation einen Ausweg zu finden, muss das Unternehmen wissen, wie es die wertvollen Mitarbeitenden halten kann und wie die verborgenen Talente in der eigenen Belegschaft aufgespürt werden können.

Keine leichte Aufgabe, denn oft kommen Kündigungen scheinbar wie aus heiterem Himmel. Und nicht immer sind es die lautesten, sich am besten verkaufenden Mitarbeitenden, bei denen eine Beförderung dem Unternehmen einen Mehrwert bringt. Die Mitarbeitenden sind die wertvollste Ressource eines Unternehmens. Da lohnt es sich, genauer hinzuschauen und die vorhandenen Daten zu nutzen. 





Dazu werden die Personaldaten zueinander in Relation gesetzt. «Als Grundlage dienen möglichst viele Indikatoren wie beispielsweise der Lohn, die Lohnentwicklung der letzten Jahre, das Dienstalter, die Bewertung im Mitarbeitergespräch oder das Alter», erklärt Martin Gutmann, Leiter Analytics & Data Consulting bei Swisscom. Man kann sich das so vorstellen, dass die Analyse-Software SAP Predictive Analytics auf der Zeile «Kündigung» die Übereinstimmung mit sämtlichen Merkmalen in den Spalten überprüft. «Je mehr solche Merkmale man beizieht, umso grösser ist die Chance, dass signifikante Übereinstimmungen erkennbar sind und somit Voraussagen gemacht werden können», sagt Gutmann. «Auf diese Weise finden sich auch solche Indikatoren, die auf den ersten Blick nicht offensichtlich sind, die aber trotzdem einen Einfluss auf die Kündigung haben. So etwa die Bewertung des Vorgesetzten und sogar die Bewertung des Chefs dieses Vorgesetzten», sagt Gutmann. 


Isolierte Daten sind nichtssagend

Um aussagekräftige Daten generieren zu können, müssen die Informationen und Rohdaten entsprechend aggregiert werden. «Das Bereinigen, Anreichern und Aufbereiten der Daten machen rund 80–90 % der Arbeit aus», sagt Martin Gutmann, und schildert dies an einem einfachen Beispiel: «Sollen Prognosen für die Sandwich-Verkaufszahlen vor dem Bahnhof Bern gemacht werden, liefern die Verkaufszahlen aus der Vergangenheit nur wenig Anhaltspunkte für künftige Verkäufe. Doch mit der Anreicherung von weiteren Indikatoren wie den Wetterverhältnissen, dem Wochentag oder gleichzeitig stattfindenden Veranstaltungen in der Nähe können brauchbare Vorhersagen gemacht werden.» Mittels Algorithmen findet das System heraus, welche Kombination von Indikatoren am wahrscheinlichsten sind, damit ein bestimmtes Ereignis eintritt.


Kundenbedürfnisse voraussehen

Schon vorher zu wissen, wie sich Kunden verhalten werden, wann der ideale Wartungszeitpunkt ist oder wann ein Betrug stattfindet, bringt einen wesentlichen Wettbewerbsvorteil und schützt vor unliebsamen Überraschungen. Die Anwendungsfälle für Predictive Analytics sind vielfältig und in allen Branchen möglich. Ein paar Beispiele: Im Marketing lassen sich damit die Zielgruppe und der geeignete Kommunikationskanal ermitteln. In der Industrie – insbesondere im Maschinenbau und in IoT-Projekten – können anfallende Datenvolumen analysiert werden. Hier liegt der Schwerpunkt darin, Anomalien aufzudecken, um die Wartung zu erleichtern. Das Verfahren wird zudem in der Fakturierung eingesetzt, um die Zahlungsmoral der Kunden zu prognostizieren: Wer weiss, dass ein Kunde die Rechnung zwar verspätet, aber mit grosser Wahrscheinlichkeit bezahlen wird, verzichtet auf eine Mahnung – somit bleibt das Kundenerlebnis positiv.





Optimierungen im Finanzbereich

Im Finanzbereich lässt sich mit Predictive Analytics der Cashflow optimieren und besser voraussagen. Banken können ihr Kreditrisikomanagement verbessern, ihr Kundenportfolio optimieren oder Geldwäscheaktivitäten besser voraussehen. «Je besser eine Bank ihre Kunden versteht, umso besser ist die Beratung. Statt den Kunden Standardangebote zu unterbreiten, kann man sich mit einer gezielten Auswertung der Kundendaten auf spezifische, relevante Angebote vorbereiten», sagt Gutmann. So versuche man bei einer grossen Bank in Zürich mit einer entsprechenden Analyse herauszufinden, welche Kunden mit einer hohen Wahrscheinlichkeit ihre Hypothek nicht erneuern werden. Mittels Churn Prediction (Kundenabwanderungsprognosen) findet man die kündigungsfreudigen Kunden und kann so gezielt auf sie zugehen. «Dazu werden beispielsweise neben den Merkmalen Alter, Geschlecht, Art der Immobilie etwa auch Indikatoren wie Wertschriftenbesitz, die Veränderungen des Kontostands oder die Nutzung von E-Banking miteinbezogen», erklärt Gutmann.


Mehr als nur Daten sammeln

Die Auswertung von historischen Daten ist per se nichts Neues und wird vor allem bei Versicherungen und im Handel schon seit Längerem angewendet. Was sich jedoch grundlegend verändert hat, ist die Datenmenge und vor allem der einfache Zugriff auf leistungsstarke Algorithmen, mit denen Prognosen erstellt werden können. Anders als bei Business Intelligence (BI) werden mit Predictive Analytics nicht bloss unstrukturierte Daten in brauchbare Informationen transformiert, sondern auch aussagekräftige Korrelationen beschrieben, die Aufschluss über künftige Ereignisse geben.

Um Predictive Analytics zu nutzen, braucht es allerdings gewisse Voraussetzungen: Insbesondere müssen die Daten in ausreichender Menge und Qualität vorhanden sein. Der Datenschutz ist dabei ein wichtiger Faktor. Es geht nicht nur darum, dass die Datenschutzgesetze jederzeit vollumfänglich befolgt, sondern auch, dass Fragen der Ethik und der Sicherheit gestellt werden.


Selbstlernende Tools

Prädiktive Modelle sind heute in der Lage, sich regelmässig automatisch mit neuen Daten zu versorgen und vergangene Ergebnisse selbstständig einzupflegen. Dies führt zu einer kontinuierlichen Neubewertung und Verfeinerung der Prognose. Die so angepasste Empfehlung der Algorithmen wird mit den Businessexperten analysiert, diskutiert und dann Schritt für Schritt eingeführt. Die Tendenz geht in Richtung End-to-End-Automatisierung: Von der Datensammlung und -bearbeitung über die Erstellung und Auswahl der besten Modelle bis hin zu ihrer automatischen Umsetzung in den IT-Systemen aufgrund von festgelegten Kriterien.




Predictive Analytics im Human Capital Management

Risiken und Trends können per Datenanalyse frühzeitig erkannt werden. Insbesondere aus HR-Daten entstehen detaillierte Reports, die es erlauben, proaktiv zu handeln, um beispielsweise die wertvollen Mitarbeitenden zu fördern und diese auch zu halten. Konkret bietet Swisscom einen Ideation-Workshop, in dem Unternehmen ihre eigenen HR-Anwendungsfälle bearbeiten können.

> Mehr zum Smart Data Lab





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