Intelligente Bewässerung 

Warum Walter Schmidt IoT-Pionier wurde statt in Rente zu gehen


Walter Schmidt stieg mit 64 in die Welt der sensorbasierten Bewässerungssteuerung ein. Seither hat er seine Technologie mit dem Internet der Dinge weiterentwickelt. 


Text: Tanja Kammermann,




Es geht durch ein enges Treppenhaus aus Holz, vorbei an einer Topfpflanze, in der ein technisches Gerät steckt, überall stehen und liegen rote Stangen, kurze und Mannshohe. Links ist eine Tür mit Labor angeschrieben. «Da lasse ich keine Fremden rein», entgegnet Walter Schmidt meinen Blick. Stattdessen führt er uns in seine Büroräume, die in einem alten Schulhaus im Weiler Russikon untergebracht sind. Die Bilder, die hängen, hat er alle selber gemalt, wie er stolz erzählt. Hier also tüftelt Walter Schmidt seit 14 Jahren am perfekten Bewässerungssystem und experimentiert mit dem Internet der Dinge.

Seinen ersten Bewässerungs-Sensor entwickelte er 2004 in seinem hauseigenen Goldschmiedeatelier. Damals wurde er von seinem Schwiegersohn, einem Gärtner, herausgefordert, er solle doch statt in Rente zu gehen eine intelligente Bewässerungslösung für ihn entwickeln, weil es so etwas auf dem Markt nicht gebe. «Das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen. Ich habe einen Nachmittag lang alle naheliegenden physikalischen Gesetze durchexerziert und bin auf eine Lösung gestossen. Ich dachte mir, etwas so Irrsinniges kann nicht funktionieren.» Der erste selbstgebastelte Prototyp hat dann auch nicht funktioniert. Doch nach drei Wochen konnte er bei einer Topfpflanze seiner Frau messen, wann sie eingehen würde. «Ich bin studierter Physiker und hatte keine Ahnung von Pflanzen.»


Schmidt am Tisch

Walter Schmidt, 74, ist die Denkfabrik der Firma Plantcare.


Die Lösung besteht noch heute aus einem speziell entwickelten Filzmaterial, das in der Erde steckt und als Schnittstelle zwischen der Erde und dem Sensor dient. Für die Feuchtemessung wird der Sensor kurz erwärmt und anschliessend die Abkühlzeit ermittelt, welche sich in Abhängigkeit der Bodenfeuchte verändert. Die Abkühlzeit des Sensors liefert somit eine zuverlässige Aussage über den Wassergehalt im Boden. Die Messwerte werden in regelmässigen Abständen über das Internet der Dinge an eine Steuerung übertragen. Ein einfaches aber revolutionäres System, das Schmidt patentieren liess. So gut, dass der Gartengerätehersteller Gardena 2005 eine Lizenz kaufte und das System bis heute vertreibt. Er gründete die Firma Plantcare und der Ruhestand rückte damit in die Ferne.


Halbe Lösungen und verbrannte Finger

2007 entwickelte Walter Schmidt einen angepassten Sensor, auf der gleichen technischen Grundlage. Damit die Lizenz von Gardena nicht angegriffen wurde, konzentrierte sich Schmidt auf Pflanzen im Innenraum. Sie kamen mit Luwasa in Allmendingen ins Geschäft, bauten einen Protypen und verkauften 100'000 Stück. «Irgendwann kümmerten wir uns nur noch um die Logistik. Das war langweilig. Und am Schluss wurden die Dinger bei Obi verkauft. Das ist ein Drecksgeschäft.» Irgendwann stellte sich die Frage, die Sensoren in China produzieren zu lassen oder aufzuhören. Ein weiteres Kapitel war abgeschlossen, doch die Technologie liess Schmidt nicht los.


Sensor Nahaufnahme

Unter dem wetterfesten Gehäuse verbirgt sich hochstehende Elektronik: Bodenfeuchtesensoren aus dem Hause Plantcare.


2009 entstand im Labor von Walter Schmidt der Plantomat, ein technologisch hochstehendes Produkt, marketingmässig jedoch wieder ein Flop. «Wir sind in den Markt einfach nicht reingekommen. Doch ich blieb dran, ich liess nicht ‘lugg’. «Manchmal muss ich mit einer halben Lösung anfangen, mir dann die Finger verbrennen, und daraus lernen.»


Hilfe für Bauern

Das zahlte sich für Walter Schmidt bald darauf aus. Er fokussierte auf die Weiterentwicklung des Systems für komplexere Anlagen im Agrarbereich – wie beispielsweise Tomaten- oder Beerenkulturen. «Zuerst haben wir mit unserem System nur gemessen, keine Bewässerungssteuerung gemacht. Doch der Bauer will nur wissen, wann er giessen muss. Ihn interessiert die Bodenfeuchte nicht». Nach einer Befragung der Bauern wusste er: Das System muss robust und praktisch sein, eine lange Lebensdauer haben, aber schnell einsetzbar sein, billige Batterien enthalten die einfach auszuwechseln sind. Auch musste ein IoT-Sensor mit einer wesentlich höheren Funkleistung entwickelt werden, der in der Lage ist, eine Entfernung von 20 Kilometern abzudecken.

Der nächste logische Schritt passierte 2011, als Schmidt und sein Team eine Bewässerungssteuerung und einen selbstlernenden Algorithmus entwickelten. «Das heisst, wenn die Bise geht oder es sehr heiss ist, wird mehr Wasser gegeben. Die Bodenfeuchte im Wurzelbereich wird in einem einstellbaren Band gehalten, das System merkt, wenn es zu viel gegeben hat und justiert automatisch nach.» Für Bauern sind die Lösungen von PlantCare eine Investition: Ca. 600 Franken kostet ein Sensor. Die Daten werden direkt über die Server in einem für ihn entwickelten Dashboard dargestellt. Inzwischen verdient Plantcare vor allem mit dem Verkauf von Hardware und dem Service dazu. Weltweit sind mehr als 250‘000 Bodenfeuchtesensoren auf allen Kontinenten im Einsatz.


Seine Ideen treiben ihn an

«Mit unseren Sensoren können wir bald gleichzeitig auch die Luftfeuchte und die Lufttemperatur messen, um einen Pilzbefall der Pflanze frühzeitig zu bemerken». Walter Schmidt besitzt sechs Patente für seine Bewässerungslösungen. Dafür hat er insgesamt 700'000 Franken ausgegeben. Und das siebte Patent meldete er vor kurzem an: «Wir wollen eines Tages den Düngegehalt im Boden messen.» Vorausschauend wie er ist, hat Walter Schmidt neben dem Slot für die Bodenfeuchte noch drei weitere Standardinterfaces eingebaut, wo man jeden x-beliebigen Sensor anhängen könnte.


Schulhaus Aussenaufnahme

In diesem alten Schulhaus sind der erste Bodenfeuchtesensor und alle Weiterentwicklungen entstanden.


Walter Schmidt war immer der Innovator, und hatte das Glück, dass er von Leuten umgeben war, die die Projekte schlussendlich umsetzten. «Ich habe einen Rucksack gefüllt mit Fähigkeiten, mit diesen kann ich spielen. Ab und zu ergibt das dann etwas Neues. Ich kann es aber nicht erzwingen. Und ich habe das Glück, dass ich 20 Jahre mit der Fraunhofer-Gesellschaft verbunden war und darum über ein grosses Netzwerk verfüge. Da frage ich dann jeweils herum: Kennst du jemanden, der sich damit auskennt?»


Netz im Ausland muss er selber bauen

Seit 2016 übertragen seine Sensoren die Daten über den Funkstandard LoRaWAN. «Für unsere Projekte in Österreich und Deutschland müssen wir die Gateways für die Netze selber stellen. Anfangs war es auch in der Schweiz so. Doch seit einiger Zeit arbeiten wir mit dem LoRaWAN-basierten Low Power Network (LPN) der Swisscom und darüber sind wir sehr froh.»

Ab dem neuen Jahr wird ein Nachfolger die Geschäftsführung von PlantCare übernehmen. «Die Entwicklung jedoch will ich behalten. Es ist so interessant was ich mache, ich habe so viele soziale Kontakte und es ist so erfolgreich. So ein Baby kann ich nicht einfach an einen Nachfolger übergeben.» Und der Ruhestand? «Zu langweilig», meint Walter Schmidt.


Die fünf wichtigsten IoT-Projekte

1/5 Fussballrasen: Im St. Jakob-Park Stadion in Basel ist ein Bodenfeuchte-Monitoring System installiert, das an verschiedenen Positionen die Bodenfeuchte und die Bodentemperatur misst und die Messdaten per Funk in den hinter den Tribünen gelegenen Technikraum überträgt.

2/5 Beerenbauern: Beeren sind empfindliche Pflanzen. Mit dem Bewässerungscomputer PlantControl CX können Schweizer Beerenbauern der Ertrag erhöhen, während der Zeitaufwand für den Betrieb und die Überwachung der Bewässerungs- und Düngeranlage massiv reduziert wird.

3/5 Golfplatz: Golfplätze sind wertvolle Grünanlagen und müssen immer bespielbar sein. Darum werden viele «Greens» in der Schweiz mit drahtlosen Bodenfeuchtesensoren überwacht.

4/5 Baumüberwachung: Diese Jahr wurden zwei alte Arven – je 17,5 Meter hoch, 15,5 Tonnen und 120 Jahre alt – von Zürich nach Morschach im Kanton Schwyz transportiert und bei einer Villa wieder eingepflanzt. Seither werden sie von Plantcare Sensoren überwacht.

5/5 Überwachung eines Kohlfeldes: Die Nachfrage nach Bewässerungssystemen stieg im Hitzesommer 2018 rasant an. Richtig eingesetzt können Bauern damit Zweidrittel Wasser sparen und dabei trotzdem den Ertrag massiv steigern. Ohne Überwachung neigen die Bauern dazu, lieber zu viel statt zu wenig Wasser zu geben.

1/5 Fussballrasen: Im St. Jakob-Park Stadion in Basel ist ein Bodenfeuchte-Monitoring System installiert, das an verschiedenen Positionen die Bodenfeuchte und die Bodentemperatur misst und die Messdaten per Funk in den hinter den Tribünen gelegenen Technikraum überträgt.

Zur Person

Walter Schmidt wurde 1944 in der Steiermark in Österreich geboren. Er studierte Maschinenbau und Physik an der Technischen Universität Graz. Von 1979 bis 1991 leitete er die Division Elektrische Verbindungstechnik der Oerlikon Contraves AG in Zürich. Von 1991 bis 2001 war er Mitinhaber und CEO der Dyconex, einem Hightech-Unternehmen der Elektronik Branche. Nach dem Verkauf der Firma war er Business Angel für diverse Startups.

Walter Schmidt ist Gründer der European Interconnect Technology Initiative und Präsident der «Crazy Guys», einer Gruppe von Spezialisten aus dem industriellen und wissenschaftlichen Bereich der elektrischen Verbindungstechnik. Walter Schmidt hält über 80 Patente. Er lebt mit seiner Frau in Russikon.





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