Industrie 4.0: Produkte intelligent machen
Mit Remote-Diagnostik und Fernwartung via IoT-Plattform gestaltet Meier Tobler den Wärmepumpen-Service effizienter. Und die Kunden müssen sich nicht mehr um ihre Heizung kümmern.
Text: Urs Binder, Bilder: Luca Zanier,
Die Heizungsbranche ist im Umbruch. Für Andreas Plüer und Thomas Grolp von der Meier Tobler (Klima Schweiz) AG ist das sonnenklar: Der Anteil fossiler Heizungssysteme nimmt gegenüber Wärmeerzeugern mit erneuerbarer Energie ab. Schon gut 80 Prozent der Neubauten werden mit Wärmepumpen statt fossilen Heizsystemen ausgerüstet, Tendenz steigend. Und es ist Gift für das klassische Servicegeschäft: Wärmepumpen gelten als wartungsfrei. Kunden verzichten eher auf ein Serviceabonnement, im Gegensatz zur Öl- oder Gasheizung. «Mit der Zeit verändern sich aber viele Eigenschaften eines neu gebauten Hauses, es kommen weitere Personen hinzu, die Luftfeuchtigkeit nimmt ab, die Anforderungen an die Heizung verändern sich», stellt Thomas Grolp fest, der bei Meier Tobler für Intranet und Internet zuständig ist.
Kommt hinzu, dass Wärmepumpen als komplexe elektromechanische Systeme keineswegs ohne Wartung auskommen. Betriebsparameter müssen optimal aufeinander abgestimmt sein, damit die Wärmepumpe effizient arbeitet und so die Lebensdauer verlängert werden kann. Und es kann auch passieren, dass ein Defekt auftritt. Regelmässige Kontrolle und Optimierung braucht es auch bei Wärmepumpen.
Thomas Grolp und Andreas Plüer im Gespräch.
«Wir wollen dem Kunden ein Rundum-Sorglos-Paket anbieten – er soll sich um nichts kümmern müssen», fasst Grolp den Kundennutzen der neuen Dienstleistung «smart-guard» zusammen. Hinter dem Produktnamen steht eine Pionierleistung im Sinn von Industrie 4.0: Als schweizweit erstes Unternehmen bindet Meier Tobler die Wärmepumpen der Kunden über eine IoT-Plattform an seine IT-Systeme an und ermöglicht so Ferndiagnose und Fernwartung. «Wir können auf Kundenwunsch die Heizung während der Ferien auf Sparmodus einstellen, damit der Energieverbrauch sinkt – das ist im Service inbegriffen. Zudem erhalten die Kunden zweimal jährlich einen Bericht mit einer Auswertung über die vergangene Heizperiode.»
Andreas Plüer, Leiter IT und Prozesse: «Bei einem IoT-Projekt wie smart-guard hat vieles nicht mit Technik, sondern mit Change zu tun».
Im Moment besuchen rund 300 Servicetechniker jeden Tag insgesamt um die 1000 Kunden. Im Fall von Wärmepumpen sind dabei oft nur einfache Handgriffe wie die Bestätigung einer Störungsmeldung erforderlich. Oder es sind ein paar Parameter anzupassen. Solche Aufgaben lassen sich genauso gut aus der Ferne erledigen, denn moderne Wärmepumpen sind mit entsprechenden Sensoren und einem Regler ausgestattet, die eine Fernsteuerung ermöglichen. Extra zum Kunden zu fahren wäre also nicht immer nötig.
Die erste Voraussetzung dafür nennt Andreas Plüer, Leiter IT und Prozesse bei Meier Tobler: «Die Wärmepumpe muss ans Internet».
Dabei sah sich Meier Tobler vor Probleme wie die Auswahl geeigneter Protokolle, die Bewältigung grosser Datenmengen und die Analyse der gesammelten Sensordaten gestellt. «Uns war klar, dass wir mit kompetenten Partnern zusammenarbeiten müssen», hält Plüer fest
Prinzip der drei A, die Basis für erfolgreiche IoT Projekte
Mit Swisscom fand Meier Tobler einen Partner, der ein IoT-Projekt von der Idee bis zum Betrieb durchgängig begleitet – Co-Creation im besten Sinn. Die Lösung folgt dem Prinzip der drei A:
Sie setzt technisch auf innovative Industrial-IoT-Lösung von Swisscom: Die Wärmepumpen werden über ein Mobilfunk-Gateway mit Antenne ausserhalb des Heizungskellers an die Swisscom IoT Cloud angebunden, die für das Management der Gateways und die Weiterleitung der Daten an die Analytics Cloud sorgt. Dort werden die Daten der Wärmepumpe mit betriebswirtschaftlichen Daten kombiniert und fliessen auch in die Dispositionslösung von Meier Tobler ein. Die Mobildatenverbindung wird durch die M2M-Plattform CMP mit schweizweiter Abdeckung geregelt (Connectivity Management Platform).
Den Ferndiagnostikern steht ein webbasiertes Service-Dashboard zur Verfügung. Sie können den Betriebszustand prüfen und erhalten Einblick in den Verschleisszustand der Systemkomponenten, wie Thomas Grolp ausführt: «Aufgrund von Abhängigkeiten zwischen den Sensorwerten kann ein erfahrener Techniker ableiten, dass demnächst eine Störung zu erwarten ist. Ein konstanter Druckabfall weist zum Beispiel auf ein Leck hin». Über das Webinterface des Reglers können Parameter angepasst und Störungsmeldungen quittiert werden. Diese Aufgaben werden komplett durch Ferndiagnostiker erledigt. Erst wenn ein Teil ersetzt werden muss, tritt ein Servicetechniker die Fahrt zum Kunden an. Aufgrund der Ferndiagnose ist er bestens vorbereitet, kann gleich das richtige Ersatzteil mitnehmen und muss nicht erst nach dem Fehler suchen.
Thomas Grolp, Leiter Intranet & Internet, Meier Tobler (Klima Schweiz) AG: «Die Kunden erhalten zweimal jährlich einen Bericht über die vergangene Heizperiode».
Das neue Berufsbild Ferndiagnostiker und das Geschäftsmodell Fernwartung ziehen Veränderungen in der Organisation und der Unternehmenskultur nach sich. Für Andreas Plüer eine der wichtigsten Erkenntnisse aus dem Projekt: «Einen Prototyp hat man schnell erstellt. Daraus ein marktfähiges Produkt zu machen, ist eine Herausforderung. Man merkt schnell, dass vieles dabei nicht mit Technik zu tun hat, sondern mit Change.»
Meier Tobler beliefert seine Fachpartner mit Geräten und Anlagen für Heizen, Klima und Lüften. Das börsenkotierte, familiendominierte Unternehmen erzielte 2015 einen Umsatz von 240,7 Millionen Franken mit 774 Mitarbeitenden (gerechnet auf Vollzeitstellen), davon 12 Lernende. Eine rund 300 Personen starke Serviceorganisation kümmert sich schweizweit um die einwandfreie Funktion der Anlagen.
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