Cyberkriminelle im Film

Nerds mit Strahlkraft


Hacker in Hollywood? Da dürfen sie meist ein Klischee bleiben. Halt Nerds: verschroben, verwegen, schlau. Immerhin schauen jetzt TV Serien wie «Mr. Robot» genauer hin. Und ab und zu beeinflussen die fiktiven Hacker sogar die Wirklichkeit.


Text: Bjørn Schaeffner,




1983. Es war das Jahr, als US-Präsident Ronald Reagan die Sowjetunion zum «Reich des Bösen» ausrief und mit «Star Wars»-Laserwaffen russische Raketen vom Himmel holen wollte. 1983 war das Jahr, als das grossangelegte Nato-Manöver «Able Archer» die Sowjets glauben liess, dass ein Atomangriff losgehen könnte. Der Kalte Krieg zwischen Ost und West, er hatte die Welt fest im Griff.


In diese Zeit passte «WarGames» (1983) perfekt. Ein Hollywood-Thriller, in dem sich ein Highschool-Schüler versehentlich ins Abwehrsystem der USA einklinkt. Er löst schier einen atomaren Krieg aus und rettet am Ende doch die Welt. «WarGames» zeigte den Hacker als vifes Videogame-Kid – als Crack, der gleichzeitig das hübsche Mädchen (Ally Sheedy) erobert. Hauptdarsteller Matthew Broderick wurde zum Posterboy, zum Inbegriff von pubertierender Computer-Coolness.



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«WarGames» und die Folgen: «Storys»-Autor Bjørn Schaeffner erinnert sich an seine Jugend. Mit Filmszenen aus dem Originalfilm, erhältlich auf DVD oder Bluray (20th Century Fox).
Bilder: photocase.de


«WarGames» beeindruckte vor allem die Kids, die Ende der 70er mit Videogames wie «Space Invaders» (1978) gross geworden sind. So einer war zum Beispiel Sergey Brin, der später Google mitbegründen sollte. «WarGames» war bald einmal so populär, dass er zum Wirtschaftsfaktor wurde: Der Film kurbelte den Verkauf von Modems in den USA deutlich an.


Hacks mit Hand und Fuss

«WarGames» war aber auch stimmig und packend inszeniert. Und so naiv der Plot um einen Amok laufenden Militärcomputer war: die Hacks waren nicht unrealistisch. Das im Film praktizierte «Scannen» war damals eine beliebte Methode: Der Hacker wählte eine Telefonlinie nach der anderen an, bis sich am anderen Ende ein Modem meldete. Dieses nahm der Hacker dann ins Visier. Aus heutiger Sicht scheint fahrlässig, dass im Film der Erfinder des Militärcomputers (Professor Falken) sein Passwort nach seinem verstorbenen Sohn («Joshua») benannt. Aber Anfang der 80er Jahre war so etwas nicht abwegig. Ein allgemeines Sicherheitsbewusstsein hatte sich noch nicht entwickelt - Hacken war darum ein ziemliches Kinderspiel.



«WarGames» bereitete US-Präsident Ronald Reagan Kopfzerbrechen. Bild: Keystone.


Andere Cyberzeiten, andere Cybersitten. Als der amerikanische Präsident «War Games» sah, liess er umgehend abklären, wie sicher die US-Militärnetze waren. Die Antwort der Armeeobersten fiel ernüchternd aus: «Mister President, es ist alles viel schlimmer als Sie denken.»


Wegen «WarGames» in Einzelhaft

Reagan liess darauf eine Sicherheitsdirektive für Computernetze ausarbeiten. Die stiess aber auf Widerstand im Kongress, der die Bürgerrechte in Gefahr sah. Aber «WarGames» bracht das Thema Cybersicherheit erstmals aufs politische Parkett. Der Film löste eine jahrzehntelange Debatte aus, welche die amerikanische Sicherheitspolitik noch heute prägt. Der amerikanische Kongress und der Geheimdienst NSA liefern sich einen Machtkampf in genau dieser Frage: Wieviel Freiheit hat der Bürger im Netz? Darf der Staat mit elektronischen Mitteln seine Bürger überwachen?




«WarGames» machte Cybersicherheit erstmals zum Politikum.


Der berüchtigte Hacker Kevin Mitnick musste wegen dem Hollywood-Thriller gar ein Jahr lang in Einzelhaft schmoren: Der Staatsanwalt konnte den Richter überzeugen, dass sich Mitnick sonst in den Militärcomputer einwählen würde und so einen atomaren Schlag auslösen könne. Ähnlich, wie sich das in «WarGames» abgespielt hatte.



1/11 Ein zerrissener Held: Rami Malek gibt den jungen Hacker mit viel Überzeugungskraft in der TV-Serie «Mr. Robot». Bild: USA Network.

2/11 Nicht von ungefähr klingt sein Name «nerdig». Dennis Nedry (Wayne Knight) war in Steven Spielbergs «Jurassic Park» der Hacker vom Dienst. Bild: Universal Pictures.

3/11 Data-Punk mit Ecken und Kanten: In der «Millennium»-Trilogie spielt Noomi Rapace die Hackerin Lisbeth Salander. Bild: Yellow Bird.

4/11 Robert Redford in «Sneakers» – ein digitaler Robin Hood der 90er-Jahre. Bild: Universal Pictures.

5/11 Putzige Computerwelt: Ein Szenario, das Disney 1982 für «Tron» zeichnen liess. Bild: Buena Vista International.

6/11 August Diehl als Hacker in «23 - Nichts ist so wie es scheint»: Karl Koch spionierte Anfang der 80er Jahre für den KGB. Bild: Buena Vista International.

7/11 Im Dokumentarfilm «Zero Days» wirft Regisseur Alex Gibney ein Schlaglicht auf den modernen Cyberkrieg. Bild: Jigsaw Productions.

8/11 Der Tüftler Q (Ben Whishaw) hat im James Bond-Film «Skyfall» mit Hackerangriffen zu kämpfen - und wird selbst zum Cyberkrieger. Bild: Sony Pictures International.

9/11 Wer steckt hinter der Maske? Alan Moores Comicverfilmung "V for Vendetta" lieferte der Hacker-Bewegung Anonymous ihr Symbol. Bild: Warner Bros.

10/11 Der von Matthew Broderick gespielte Highschool-Hacker David wurde 1983 mit «WarGames» zum Posterboy einer Computergeneration. Bild: 20th Century Fox.

11/11 Die Hollywood-Komödie "The Interview" sorgte für rote Köpfe in Nordkorea: Der parodierte Kim Jong-Un liess daraufhin Sony hacken. Bild: Sony Pictures.

1/11 Ein zerrissener Held: Rami Malek gibt den jungen Hacker mit viel Überzeugungskraft in der TV-Serie «Mr. Robot». Bild: USA Network.


Videogames im Cyberspace

Die frühen 80er-Jahre waren eine Zeit, in der die Bevölkerung das Wort «Hacker» kaum kannte – darum wurde es erst mal in Anführungszeichen geschrieben. Hacken, das war in der Regel ein fantastisches Geschäft. Wie im Disney-Klassiker «Tron» (1982), wo der Hacker Sam Flynn (Jeff Bridges) zur Computerspielfigur mutierte. Und auch der Roboter R2D2 war ein Hacker: Er war in «Star Wars» (1977) in das System des Todessterns eingedrungen.


Der Schriftsteller William Gibson hatte in seinem Buch «Neuromancer» (1984) den «Cyberspace» erfunden. Einen Cyberspace, den er seinen Helden Case infiltrieren liess – also hacken, versteht sich. Mit dem Cyberspace hatte Gibson einen starken Begriff für die heraufdämmernde Internet-Ära geschaffen. Aber seine Story war Zukunftsmusik, eben Science-Fiction. Eine Traditionslinie, in der sich später auch «The Matrix» eingliedern sollte: Heldenfiguren wie ein Neo (Keanu Reeves) oder eine Trinity (Carrie-Anne Moss) retten darin als Hackerfiguren die Welt vor einem übermächtigen Computer.


Fies, fett und schwitzend

Spätestens mit «Sneakers» (1992) mit Robert Redford bildete sich auch eine Art Robin Hood-Figur des Computerzeitalters heraus: Der Hacker als Held, der Informationen zum Wohle der Gemeinschaft erschleicht. In den Cyberkriminalitätsfilmen der letzten zwanzig Jahre begegnet uns der Hacker aber meist als notorischer Nerd: sozial untauglich, schräg witzelnd, mal dick, mal dünn. Der Computer-Nerd Dennis Nedry in «Jurassic Park» (1993) besetzte als fieser, fetter und schwitzender Hacker so einen Gemeinplatz. Eine Figur wie Lisbeth Salander aus der bekannten schwedischen «Millennium» -Trilogie (2008 - 2011) straft zwar das Klischee vom Hackertum als Männer-Business Lügen. Dabei erfüllt aber auch Salander das typische Bild von der introvertierten Autistin. Kommt hinzu: Sie ernährt sich gern von Pizza – und das ist bekanntlich die Hacker-Sünde schlechthin.


Am augenfälligsten ist aber im Hollywood-Film, wie leichtes Spiel die Hacker haben. Wo jeder Profi weiss, dass es beim Hacken vor allem Geduld braucht, überwindet der Hacker jedes digitale Hindernis in Sekundenschnelle. Kein Zweifel, es gibt viele wirklich unzulänglich inszenierte Hackerszenen. In «Swordfish» (2001) hackt sich Hugh Jackman um sein Leben – nur scheinen seine umherflitzenden Finger kaum die Tastatur zu berühren. Was dazu über den Monitor flimmert, sieht mehr nach der Arbeit eines 3D-Designers aus als nach dem Tagwerk eines Datentüftlers.


Hacker-Klischee gefällig? Auch Lisbeth Salander aus Stieg Larssons «Millennium»-Trilogie ernährt sich gern von Pizza.


Wie realistisch muss es sein?

Naheliegend ist aber auch, dass gerade das Blockbuster-Kino vereinfachen muss. Wenn der Tüftler Q oder der Bösewicht Silva (Javier Bardem) im James-Bond-Streifen «Skyfall» (2012) als Hacker wirken, dann geht es weniger um deren Glaubwürdigkeit als Hacker - es geht um die Glaubwürdigkeit der Filmmarke «James Bond». Und bei der gehört Realitätstreue nicht gerade zu den Tugenden.

 

Nur geht es eben schon realistisch. Der deutsche Spielfilm «23 – Nichts ist wie es scheint» (1998) basiert auf einem realen Fall. Er erzählt, wie Karl Koch (August Diehl) Anfang der 80er für den russischen Geheimdienst KGB zu spionieren begann. Koch galt auch als Erfinder des so genannten «trojanischen Pferdes». Eine virtuelle Falle, mit der damaligen Netz-Usern ihre Passwortabfrage vorgetäuscht wurde - worauf diese das Passwort eintippten und prompt dem Cyberkriminellen ins Netz gingen. Sogar Hacker aus Karl Kochs ehemaligem Umfeld fanden, dass der Film die damalige Stimmung in der Szene gut eingefangen habe.


Mr. Robot: Gut gemacht

Viel Lob erhielt letztes Jahr die TV-Serie «Mr. Robot» (2015). Da wird die Arbeit von wirklichen Hackern gezeigt: Man scannt nach WLAN-Netzen, findet zwischen zu stark verschlüsselten Signalen eine Bluetooth-Tastatur, imitiert diese Tastatur und linkt sich mit dem Computer ein. Die dafür notwendige Software, die korrekten Eingaben am Monitor: das alles verdeutlicht «Mr. Robot». Vor ein paar Tagen ist jetzt die zweite Staffel angelaufen.

 

Technische Genauigkeit in Ehren: Das grössere Verdienst von «Mr. Robot» ist es, ein realistisches Bild der Hackerszene zu zeichnen. Die TV-Serie zeigt, wie heterogen diese Kultur ist, wie viele unterschiedliche Charaktere sich in ihr tummeln. Von einem Mitglied der Hackergruppe Anonymous war zu hören, dies sei « das genaueste Hacker-Porträt, das je über einen Bildschirm gelaufen ist». «Mr. Robot» trifft den Nerv der Zeit. Und macht dem behaglich vor dem Fernseher sitzenden Zuschauer klar: Je älter und je erwachsener die Informationsgesellschaft geworden ist, desto realer sind Hacker-Angriffe. Gehacktwerden ist heute der Normalzustand.



Kaum eine Woche vergeht, an dem nicht irgendwo ein Hackerangriff lanciert wird: auf die Server des Bundes. Auf die Finanzmärkte. Auf Social Media-Netzwerke wie LinkedIn und die grösste Pendlerzeitung der Schweiz . Längst beschäftigen Unternehmen wie Swisscom eigene Hacker, um sich gegen Angriffe zu schützen. Auch wenn Hackerangriffe beinahe so alt sind wie die Informatik selbst, sieht es ganz so aus, als beginne das Zeitalter der Hacker gerade erst so richtig.


Filmreif: Der Sony-Hack

Wie kritisch digitale Zwischenfälle sein können, zeigte etwa der Fall von Sony Pictures Entertainment. Die Sicherheitssysteme von Sony wurden überwunden. Die Angreifer stahlen mehrere hundert Terabyte Daten, unter anderem Informationen über neue Filmprojekte, unveröffentlichte Filmszenen, Kundendaten sowie vertrauliche Mitarbeiterinformationen – sogar ein James Bond-Drehbuch wurde geleakt.



«The Interview» löste einen nordkoreanischen Cyberangriff aus. Bild: Keystone.

«The Interview» löste einen nordkoreanischen Cyberangriff aus. Bild: Keystone.


Die Komödie «The Interview» machte sich über Kim Jong-Un lustig. Der liess sich das nicht gefallen und liess daraufhin Sony hacken.


Eine Comicmaske für eine Hackerbewegung

Und dass die Hollywood-Version von «V for Vendetta» (2005) der Hacker- und Protest-Bewegung Anonymous ihre charakteristischen Maske beschert hat, ist da nur eine Randnotiz. Die vom Comiczeichner Alan Moore geschaffene Maske um den mittelalterlichen Revolutionär Guy Fawkes stiess bei Anonymous auf Anklang. Die Hackerszene ist bekannt dafür, sich von fiktiven Werken zu inspirieren: 2014 trat ein weltweit gesuchter ukrainischer Hacker im Darth Vader-Kostüm auf. Ein anderer nannte sich gleich «Neo», wie Keanu Reeves in «The Matrix». Und als 2011 ob diversen Hackerangriffen kurz das Internet Kopf steht, war witzelnden Bloggern klar: das Skynet, die Roboter-Hölle aus «Terminator» war Realität geworden.


Die Realität? In «Zero Days» (2016) beleuchtet Regisseur Alex Gibney die Hintergründe der so genannten Stuxnet-Cyberangriffe auf iranische Atomanlagen im Jahr 2010. Sein packender Dokumentarfilm hält zum Schluss einen Knüller bereit: Die «Operation Stuxnet» der US-amerikanischen und israelischen Geheimdienste war nur ein Puzzleteil in einem langfristigen Cyberkrieg gegen den Iran. Als «Zero Days» an der Berlinale im Februar erstmals aufgeführt wurde, machte diese Enthüllung Schlagzeilen. Ja, wie schreibt doch Filmkritiker Matthias Lerf? Die Wirklichkeit, sie hält immer noch die spannendsten Hacker-Geschichten bereit.





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