Servitization, die Zukunft im Manufacturing (zwei Männer zeigen etwas in einer Fabrik)
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Servitization: Deshalb führt in der Industrie kein Weg daran vorbei

Die Zukunft industrieller Betriebe liegt nicht allein im gesteigerten Absatz von Produkten, sondern in der Erschliessung neuer Märkte dank datengestützter Services. Der als «Servitization» bekannt gewordene Ansatz öffnet die Tür zu innovativen Geschäftsmodellen und nachhaltigem Wachstum im Manufacturing. Erfahren Sie hier, was Servitization umfasst und wie Sie damit starten können. 

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Nur für die Betriebsstunden zu bezahlen, statt ein Flugzeugtriebwerk zu kaufen: Dieses als «Power by the Hour» bekannt gewordene Geschäftsmodell des britischen Flugzeugturbinenherstellers Rolls-Royce entpuppte sich als zukunftsweisenden Schritt. Die Fluggesellschaften konnten Kosten in Abhängigkeit von den Flugstunden kalkulieren und blieben von unerwarteten Betriebsausfällen (mehrheitlich) verschont. Und Rolls-Royce konnte die Wartung optimieren und dabei von Skaleneffekten profitieren. 

Der Ansatz von «Power by the Hour» beschreibt genau das Konzept der Servitization. Hersteller erweitern ihre physischen Maschinen, Geräte und Komponenten mit Sensoren, um damit datenbasierte Dienstleistungen «as a Service» anzubieten. Kunden beziehen dadurch eine Lösung zu einem transparenten Preis, statt ein Produkt zu kaufen.

Technischer Fortschritt fördert Innovation im Manufacturing  

Technischer Treiber hinter Servitization ist die Digitalisierung. Sensoren und Funknetzwerke – das Internet der Dinge (IoT) – melden laufend Informationen über den Zustand der Produktionsanlagen und ihrer Komponenten, über die Nutzung und über die Betriebsumgebung. Diese Daten kann die Herstellerin einerseits für die Optimierung des Betriebs oder der Wartung nutzen – Stichwort «predictive Maintenance». Andererseits ermöglichen die gesammelten Daten das Denken in komplett neuen Geschäftsmodellen. Beispielsweise lassen sich die Displays der Franke-Kaffeemaschinen nutzen, um per Fernzugriff auf neue oder saisonale Getränke und Aktionen aufmerksam zu machen. 

Neue Businessmodelle mit Servitization: Aufzeichnung der Session von den Swisscom Business Days.

Auch aufgrund des disruptiven Potenzials bezeichnet das Fraunhofer Institut für Kognitive Systeme (Fraunhofer IKS) Servitization als wichtigen Bestandteil der Industrie 4.0 und setzt dort einen Forschungsschwerpunkt. Welche Disruptionen mit Servitization möglich sind, zeigt das Zukunftsbeispiel selbstfahrender Autos, die von den Benutzer*innen bei Bedarf angefordert und nach Nutzung abgerechnet werden. Von solchen Ansätzen konnten die Ingenieure bei Rolls-Royce damals nur träumen: Das Konzept von «Power by the Hour» stammt aus dem Jahr 1962. 

Servitization, der Weg in die Zukunft des Manufacturing? 

Ziel von Servitization ist, die Kundenbedürfnisse im Sinne der sogenannten vertikalen Integration besser zu erfüllen. Gleichzeitig aber auch den Kostendruck in der produzierenden Industrie zu mildern. «Kunden wollen mit den gekauften Maschinen und Geräten ja in erster Linie ein Problem lösen und nicht Hardware kaufen», sagt dazu Hanspeter Groth, Industry Leader für Manufacturing bei Swisscom. «Je besser ein Anbieter das Kundenproblem versteht und sein Produkt auf dessen Lösung optimiert, desto besser ist er im Markt positioniert.»

Diese Optimierung kann mit einem effizienteren Betrieb der Anlagen, Geräte und Komponenten erfolgen, aber auch mit zusätzlichen (datengestützten) Dienstleistungen, die einen Mehrwert in den nachgelagerten Märkten versprechen. Mit intelligenten zusätzlichen Services lassen sich neue Geschäftsmodelle erschliessen und damit neue Umsatzquellen. Zudem können die Services zu besseren Margen beitragen, da sich das Kosten-/Nutzen-Verhältnis verbessert. 

Neue Geschäftsmodelle vorantreiben: Praxisbeispiele für Servitization

Die Digitalisierung hat dem bekannten Servitization-Ansatz eine komplett neue Dimension eröffnet. Faktoren wie Produktqualität, tiefe Ausfallraten und effiziente Wartung bleiben dabei wichtige Voraussetzungen. Doch die gewonnenen und aufbereiteten Daten machen heute und in Zukunft den Unterschied. Sie erlauben es, neue Rückschlüsse über die Nutzung der Anlagen, Geräte und Komponenten zu gewinnen und dadurch die Chancen einer gezielten vertikalen Integration zu nutzen. Wie das in der Praxis aussieht, zeigen diese drei Beispiele: 

  • Mit der Akku-Plattform «Nuron» hat Werkzeugherstellerin Hilti nicht nur ein einheitliches Akkusystem für eine grosse Zahl verschiedener elektrischer Maschinen auf dem Bau eingeführt. Die Akkus sammeln zusätzlich Informationen über die Nutzung und Auslastung der Werkzeuge und übermitteln diese Daten beim Laden ins Flottenmanagement in der Cloud. Hilti-Kunden können damit die Einsatzplanung optimieren und Ausfallzeiten reduzieren. 
Wie Hilti mit IoT innovative Geschäftsmodelle umsetzt. Aufzeichnung der Session von den Swisscom Business Days.
  • Schaerer und Franke, Hersteller von Kaffeemaschinen für den professionellen Gebrauch, haben ihre Geräte vernetzt und mit Sensoren ausgestattet. Kaffeeanbieter sind dadurch immer informiert über die Nutzung der Kaffeemaschinen und können beispielsweise Sortiment und Standorte optimieren. Die Bildschirme können für eine erweiterte Interaktion mit den Kaffeekonsumenten genutzt werden (zum Beispiel für Upselling)
  • Schindler vernetzt ihre Rolltreppen und Lifte. Liftbetreiber oder Hausdienstmitarbeitende sind dadurch jederzeit informiert über den Betriebszustand der Fortbewegungsmittel und über nötige Unterhaltsmassnahmen. Das sorgt für einen sicheren Betrieb, vereinfacht den Unterhalt und beschleunigt die Lösung im Störungsfall. 

Erste Schritte zu Servitization für Produktionsunternehmen 

Servitization kann schrittweise erfolgen, kann sich aber auch als disruptives Geschäftsmodell entpuppen. Deshalb will ein solcher Transformationsprozess strategisch geplant sein. Er erfordert den Einbezug des Managements, von Mitarbeitenden und von Nutzern respektive Endkunden. Nur unter Einbezug all dieser Perspektiven wird Servitization auch zum nachhaltigen Erfolgsmodell. 

Alexandre Salzmann, Head Digital Business und Servitization-Experte bei Swisscom, empfiehlt Produktionsunternehmen diese drei Schritte, um den Einstieg ins Thema zu vereinfachen: 

1. Schritt: Bestandesaufnahme

  • Was ist mein IST-Zustand im Vergleich zur Branche?
  • Was bringt der Servitization-Ansatz meinem Unternehmen?
  • Welche Services bieten sich für eine vertikale Integration an, welche nicht? Wo liegt in meinem Unternehmen das grösste Potenzial? 

2. Schritt: Endkunden miteinbeziehen (Outside-In-Sicht)

  • Welche Bedürfnisse haben meine Kunden und deren Kunden?
  • Mit welchen Services kann mein Unternehmen diese erfüllen und eine Win-Win-Situation schaffen? Es ist wichtig zu verstehen, welchen Mehrwert die Services den Kunden in den nachgelagerten Märkte bietet und welche Nutzungsprofile daraus entstehen.

3. Schritt: Servitization innerhalb des Unternehmens etablieren

  • Wie kann ich meine Organisation und die Geschäftsleitung vom Vorhaben überzeugen?
  • Wie kann ich Servitization in die Business-Strategie miteinbeziehen?
  • Wie kann ich die notwendigen technischen, rechtlichen und kommerziellen Voraussetzungen für die neue Strategie schaffen? Dazu gehören unter anderem: Software Development Lifecycle Management, Datenplattformen (in der Cloud), Service Level Agreements, Subskriptionsmodelle, Governance.
  • Wie implementiere ich diese Strategie (beispielsweise think big – start small oder fail fast and learn)? 

Der frühzeitige Einstieg in Servitization lohnt sich 

Aufgrund des Potenzials von Servitization lohne es sich für Produktionsunternehmen, sich jetzt damit zu beschäftigen und neue Märkte zu erschliessen, so Alexandre Salzmann: «Denn Planung und Umsetzung benötigen Zeit.» Ein erster Schritt kann sein, aufgrund einer Bestandesaufnahme mögliche Geschäftsmodelle zu evaluieren, zum Beispiel in einem Workshop. Denn: Wenn Daten das neue Gold sind, wäre es unverzeihlich, das Gold nicht zu Geld zu machen, bevor es die Konkurrenz tut. 

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