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Wenn Care-Arbeit plötzlich zum Alltag gehört

Makram arbeitet 60% als DevOps Engineer bei Swisscom. Das war vor ein paar Jahren noch anders. Wie viele andere seiner Kollegen und Kolleginnen ging er zu 100% seinem Job nach. Dann ging seine Ehe in die Brüche, seine Eltern in Tunesien wurden krank und inmitten des Corona-Trubels und all diesen Veränderungen in seinem Leben wurde auch Makram selbst krank. Damit begannen nicht nur viel häufigere Reisen in sein Heimatland, um seine Eltern zu unterstützen, sondern auch die Reise der eigenen Genesung.

Makram Ghazel ist dreifacher Familienvater. Er hat zwei Kinder aus erster Ehe und ein Kind mit seiner neuen Partnerin. Als seine Eltern älter und pflegebedürftig wurden, kam plötzlich die Frage der Pflege und Betreuung auf. Nur: Makram lebt hier in der Schweiz. Seine Eltern in Tunesien, wo eine völlig andere Kultur herrscht, wie man mit den eigenen Eltern umzugehen hat, wenn sie älter werden. Eine, die ihm eigentlich auch gut behagt.

Deine Eltern leben in Tunesien und benötigen je länger je mehr Pflege und Betreuung. War es für Dich von Anfang an klar, dass Du einen wichtigen Teil dazu beiträgst?

Ich bin in Tunesien aufgewachsen. Als meine Grosseltern älter wurden, holte mein Vater sie irgendwann zu uns. Wir haben sie als Familie bis zu ihrem letzten Atemzug begleitet. Dies ist nicht nur die Erwartung der tunesischen Gesellschaft, es gibt sogar Geschwister, die sich darum streiten, wer die Eltern zu sich nehmen und so viel Zeit mit ihnen verbringen darf. Da ist man dann auch stolz drauf.

«Wer seine Eltern im Altersheim hat, der schämt sich.»

Das komplette Gegenteil wie bei uns, also.

Auch in Tunesien verändert sich die Gesellschaft langsam – vor allem im Norden. Manchmal arbeiten Frau und Mann. Das verursacht natürlich auch mehr Stress, da kann man nicht nebenher noch die Eltern daheim haben. Und so gibt es mittlerweile im Norden des Landes auch Altersheime. Im Süden Tunesiens ist es aber noch immer so wie früher: Wer seine Eltern im Altersheim hat, der schämt sich.

Irgendwann hiess Care-Arbeit bei Dir also nicht «nur», die eigenen Kinder zu betreuen, sondern auch Deine Eltern. Wie geht das, wenn dazwischen über 1‘000 km liegen?

Wöchentlich telefoniere ich ein- bis zweimal. Ich hole mir alle wichtigen Informationen von meinen Eltern, aber auch von den Nachbarn und von meiner Schwester. Sie lebt in der Nähe. Aber sie konnte meine Eltern nicht zu sich nehmen, da bei ihr bereits der Vater ihres Mannes lebt. 

Ich versuche, vieles telefonisch von hier aus zu organisieren – vom Arzttermin bis zur Betreuung vor Ort. Und so oft wie möglich und für so lange Zeit wie möglich fliege oder fahre ich nach Tunesien. Aber das kam ja nicht alles urplötzlich, sondern Stück für Stück.

Wie fing denn alles an?

Zuerst habe ich gemerkt, dass meine Mutter nicht mehr so gut zurecht kam. Sie hatte grosse Schmerzen im Knie, konnte kaum mehr laufen. Eine Knie-OP stand an. Klar, dass ich nicht nur bei dem Administrativen half, sondern auch beim Finanziellen. Mein Vater war in der Zeit zum Glück noch sehr aktiv und sehr gesund.

Ich ging meistens zwei bis drei Wochen am Stück nach Tunesien. Oft nahm ich meine Kinder mit, damit sie meine Familie besser kennenlernten. Wer weiss, was mal kommt. Es war und ist wichtig, dass sie auch diese Seite der Familie, diese Kultur kennen.

Und tatsächlich kam alles anders, als Du es Dir erhofft hast.

Meine Frau hat sich von mir getrennt. Das war für mich ein Riesenschock. Die Zeit danach, als auch noch Corona alles lahm- und stilllegte, war nicht einfach für mich. Ich war allein. Und fühlte mich auch so. Dazu kamen die Sorgen über meine Eltern.

«Manchmal wollte ich einfach nur noch weg. Aber ich bin keiner, der abhaut.»

Da habe ich schon auch mal kurz überlegt, alles stehen- und liegenzulassen und nach Tunesien zu gehen – alles hinter mir zu lassen. Aber: Das wäre Abhauen gewesen. Und ich bin keiner, der abhaut. Aber diese belastende Familiensituation hat mich selbst krank gemacht.

Inwiefern?

Ich bekam psychosomatische Schmerzen, erwachte mitten in der Nacht, hatte Atemnot. Es war plötzlich so, dass nichts mehr funktionierte. 

Ich erhielt dann von der Swisscom eine Case-Managerin, die sich um alles kümmerte. Sie regelte den Papierkram, kümmerte sich aber auch darum, dass ich wieder vorwärts schauen konnte. Zudem hatte ich auch privat Unterstützung.

«Wenn Du nur da wärst», das höre ich oft.

Eine Zeit lang konntest Du aufgrund der pandemischen Lage auch gar nicht nach Tunesien reisen. Was hast Du gemacht, als die Grenzen wieder offen waren?

Nach der Lockerung der Massnahmen ging ich natürlich sofort runter nach Tunesien. Mittlerweile ging es auch meinem Vater nicht mehr so gut. Als ich ihn nach so langer Zeit wieder sah, sah er so gebrechlich aus – er, der immer stark und mein Vorbild war. Ich selbst hatte ja gerade auch keinen Boden unter den Füssen. «Wenn Du nur da wärst», das höre ich oft.

Kommt aus Deinem Umfeld manchmal die Frage auf, weshalb Du nicht für eine gewisse Zeit nach Tunesien ziehst?

Klar habe ich mir das durchaus auch überlegt. Was mich hier hält, ist die Familie. Auch wenn wir getrennt leben, habe ich zwei Kinder, von denen ich keinesfalls weg möchte. Auch mit meiner neue Partnerin habe ich ein gemeinsames Kind. Also bleibe ich in der Schweiz und versuche alles unter einen Hut zu kriegen – die Kinder aus erster Ehe, meine neue Beziehung, mein drittes Kind, meinen Job, meine Gesundheit und meine Eltern in Tunesien.

Eine Sandwich-Situation, die zermürbend sein kann. Ist sie es auch?

Früher versuchte ich immer allen und allem gerecht zu werden und war total multitasking. Auch im Geschäft. Jeder wollte etwas, ich war für alle da. Bei der Arbeit musst du ja auch funktionieren, musst Skills aufbauen, am Ball bleiben. Jeder verlangte etwas und jeder hatte ja auch das Recht dazu – sowohl der Arbeitgeber als auch die Familien. Und meine Familie in Tunesien besteht ja nicht nur aus meinen Eltern. Da sind Tanten, Onkel, deren Kinder… Und alle meinen, ich könne ihnen helfen, denn ich arbeite ja im Ausland und habe alles.

Job, Familie, Deine Gesundheit – wie jonglierst Du das alles?

Es ist alles miteinander verbunden. Meine Batterien waren aufgrund der zermürbenden Situation mit der Trennung, mit meiner Krankheit und mit meinen Eltern leer. Ich habe damals sehr viel Unterstützung seitens meiner Arbeitgeberin erhalten. Es ist nicht selbstverständlich, dieses Verständnis und diese Unterstützung vom Arbeitgeber zu erhalten. Es war für mich zudem ein Riesenglück, dass ich diese Unterstützung auch rechtzeitig erhielt. Die Frage, die aber immer noch im Raum steht, ist: Wer pflegt meine Eltern, wenn es gar nicht mehr geht? Sie sind noch immer daheim, haben jemand, der ihnen im Haushalt hilft.

Wie vereinbarend ist Dein Leben zurzeit?

Ich musste lernen „Nein“ zu sagen. Manche Dinge kann man auch zur Seite schieben. Ich habe Familie hier in der Schweiz. Und ich habe Familie in Tunesien. Dann habe ich noch meine Arbeit. Das alles schaffe ich momentan nicht mit einem 100% Pensum, sonst laufe ich genau wieder ins Gleiche rein. Deshalb habe ich auf 80% reduziert, später dann temporär sogar auf 60% - so habe ich mehr Zeit für meine Familie, meine Kinder, für meine eigene Erholung. Aus Datenschutz- und versicherungstechnischen Gründen kann ich nicht von Tunesien aus für die Swisscom arbeiten. Und aus finanziellen Gründen kann ich keinen unbezahlten Urlaub machen. Aber ich habe andere Optionen erhalten, die in der jetzigen Situation sehr helfen. Diese Firma hat mir viel gegeben.

Als jemand, der sich im Thema Eltern-Pflege soweit gut organisiert hat, was empfiehlst Du anderen, die erst gerade in diese Situation kommen?

Dass jede*r, der oder die seine Eltern betreut, die Zeit auch geniessen und sie sich bewusst nehmen sollte. Die Zeit, die uns unsere Eltern gegeben haben, die können wir jetzt zurückgeben. Es geht ja alles so schnell. 

Ich empfehle es jeder und jedem, zugunsten der Familie auch etwas zurückzuschrauben. Es ist so viel wert – weit mehr als die finanzielle Einbusse.

Wie Swisscom Care-Arbeit ermöglicht:

Swisscom unterstützt mit dem Angebot Work & Care gezielt Mitarbeitende, die neben ihrer Berufstätigkeit in ihrem privaten Umfeld Betreuungs- oder Pflegeaufgaben wahrnehmen.Ein Beratungsangebot sowie flexible Work &Care-Arbeitszeitmodelle, z.B. eine temporäre Beschäftigungsgradreduktion oder der Kauf von Work & Care Ferientagen ermöglichen eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und privatem Engagement.

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