Seit 4 Jahren arbeite ich als Future Work Consultant bei Swisscom. Im Jahr 2021 hatte ich die Möglichkeit, als Junior UX Designer einen sechsmonatigen Stage im Team von Swisscom Blue TV zu absolvieren und dabei viele neue Erfahrungen zu sammeln. Der Erfahrungsbericht illustriert, wie UX bei Swisscom funktioniert.
Ich erinnere mich gerne wie eine meiner Dozentinnen an der FHNW immer wieder Mantra mässig wiederholt hat: You ≠ Your User. Also ist oben beschriebenes Szenario höchstens eine Verschwendung wertvoller Unternehmensressourcen. Solange kein Kunde im Spiel ist, bringt’s nicht. Schliesslich kaufen ja nicht (nur) die Mitarbeiter*innen von Swisscom unsere Produkte — unsere Kund*innen sollen sie kaufen. Aber: Wer sind eigentlich diese «Kunden»? Und muss ich die jetzt alle befragen? Eher nicht. (Wir müssten das Rentenalter wohl deutlich erhöhen, damit ich damit jemals fertig werden würde…)
Es ist auch gar nicht so wichtig, hochkomplexe Algorithmen zur Evaluierung der perfekten Mischung aus verschiedenen Kundensegmenten zu finden. Das wichtigste ist dass du mit Kund*innen sprichst. Und wenn es nur 5 Personen sind. Je nach dem was dein Ziel ist, gibt es gewisse Minima die für eine «relevante Aussage» nötig sind. Für Usability Testings gilt aber beispielsweise: Schon 5 Personen decken i.d.R. 80% der Usability Probleme auf.
Quelle: Nielsen Norman Group
Nachdem klar ist warum auch du keine Ausrede hast, nicht mit deinen Kund*innen zu sprechen: Wie geht das?
Vorbereiten
Die Interviews, die ich geführt habe, hatten zum Ziel, mögliche Potenziale und Pain Points aufzudecken. Es ging dabei nicht um ein spezifisches Feature oder einen konkreten Prozess. Also ein explorativer Ansatz. Im Optimalfall hast du konkrete Hypothesen, die du validieren möchtest.
So oder so benötigst du ein Skript. Und zwar ein gutes.
Ich habe mein Skript wie folgt gegliedert:
Ziel
Schreib dir auf, was das Ziel dieses Interviews ist.
Schon hier habe ich ein paar konkrete Fragestellungen definiert, die mich interessieren. Dieser Teil hat mir geholfen, den Rahmen zu setzen.
Aufwärmen
Geh davon aus, dass die befragte Person sich nicht tagtäglich mit UX Interviews beschäftigt. Erkläre was das Ziel dieses Interviews ist und dass die befragte Person nichts Falsches sagen kann.
Starte dann mit einer einfachen Aufwärmfrage. Die darf natürlich schon themenbezogen sein — Im Optimalfall ist es eine Frage auf die jede*r eine Antwort geben kann. (= «Juhee, ich kann ja tatsächlich etwas zu diesem Gespräch beitragen!»)
Einstieg ins Thema
Notiere dir 2–3 Einstiegsfragen in dein Thema.
Zum Beispiel:
«In welchen Situationen konsumierst du Entertainment?»
«Was sind deine Lieblings-Inhalte?»
«Welche Entertainment-Apps verwendest du?»
Hauptteil
Jetzt kommst du zur Sache. Notiere dir die wichtigsten Themen, die du während des Gesprächs ansprechen willst. Ich schreibe Themen und nicht Fragen. Grund: Auch wenn du den Ablauf des Gesprächs feinsäuberlich planst — es wird garantiert nicht so ablaufen. Ein gutes UX Interview ist natürlich und nicht künstlich. Das kannst und sollst du nicht übersteuern. Nachfolgend meine Learnings und Tipps:
Durchführung
Yass! Du hast dein Interview jetzt perfekt vorbereitet — da kann ja nichts schief gehen! Es wird alles genau so ablaufen, wie du es geplant hast.
—Lass es mich mal so ausdrücken: Alter, vergiss es.
Was du willst:
Ein möglichst natürliches Gespräch.
Was du nicht willst:
Einfach deine Fragen eine nach der anderen stellen.
UX Interviews sind toll, wenn ein explorativer Ansatz verfolgt wird. Oft geht es aber darum ein bereits bestehendes Produkt zu verbessern oder ein neues Feature zu testen. Da sind Usability Testings die Methode der Wahl.
Ich habe die Usability Testings jeweils alleine mit der Testperson durchgeführt. Im Optimalfall seid ihr zu dritt: Facilitator, Protokollführer*in, Testperson. Weil ich alleine war, habe ich die Gespräche jeweils aufgezeichnet und anschliessend transkribiert.
Uff. Ganz schön viel Arbeit und noch kein einziger Screen designt.
Das Tolle: Viele starten direkt mit Schritt 6. Ohne zu wissen, was die Kund*innen denn eigentlich wollen.
Jetzt heisst es: Finger dehnen und ran an die Maus! Mit all den Learnings im Gepäck beginnen wir den Userflow neu zu denken. Das kann in einem ersten Schritt auch noch so aussehen:
Davon generierst du mehrere.
(Du duplizierst also den Flow und änderst z.B. einen Screen ab)
Wichtig: Immer hinschreiben, was an dieser Variante anders ist.
Im Screenshot unterhalb siehst du anhand der farbigen Chips oberhalb der Screens sofort, dass «EmptyState» und «Results» unterschiedliche Varianten sind.
Handlungsempfehlungen
Luca Dietiker
Future Work Consultant
Finde deinen Job oder die Karrierewelt, die zu dir passt. In der du mitgestalten und dich weiterentwickeln willst.
Was du draus machst, ist was uns ausmacht.