5G-Ausbau

Schweizweites 5G trotz Widerständen erreicht – ein Widerspruch?

Ein grosses Etappenziel ist erreicht, 90 Prozent der Schweizer Bevölkerung sind mit dem ersten Ausbauschritt von 5G, einer Basisversion, versorgt. Ist es angesichts der aktuellen Diskussion legitim, weiter auszubauen? Ein Gespräch mit Urs Schaeppi, CEO Swisscom.
Sabrina Hubacher
Sabrina Hubacher, Mediensprecherin
19. Dezember 2019

Ein leistungsfähiges Mobilfunknetz besteht aus vielen Bausteinen. Ein erstes Etappenziel hat Swisscom beim Aufbau des 5G-Netzes per Ende 2019 erreicht: Sie hat mit einem reinen Softwareupdate eine Basisversion von 5G aufgeschaltet, die 90% der Schweizer Bevölkerung versorgt. Entsprechende Endgeräte werden im ersten Quartal 2020 auf den Markt kommen.

 

Diese Basisversion bietet bereits zahlreiche Vorteile der neuen Technologie, aber noch nicht ganz alle. Zum Beispiel für die Möglichkeit, Daten bis zu 1000-mal effizienter und damit energiesparender zu übertragen braucht es die Vollvariante. Doch für die Vollvariante, mit allen Vorteilen von 5G, sind neue Antennenstandorte oder der Umbau von bestehenden Anlagen unumgänglich.

Urs Schaeppi, ein grosser Teil der Bevölkerung ist gegen einen weiteren Ausbau des Mobilfunks. Nun schaltet Swisscom trotzdem eine Basisversion von 5G schweizweit auf. Ist das wirklich nötig?

Es ist ganz einfach: Wir bauen heute für morgen. Wir sehen, dass der Datenverkehr in unserem Netz seit Einführung der Smartphones Tag für Tag ungebrochen stark steigt. Unsere Aufgabe ist es, auch nächstes und übernächstes Jahr sicherzustellen, dass das Netz und damit die Gesellschaft und Wirtschaft rund laufen und nicht plötzlich Teile der Schweiz im Mobilfunkstau stecken. Wenn darum über Baustopps gesprochen wird, dann ist das sehr gefährlich. Die Auswirkungen spürt man zuerst gar nicht, dann ein bisschen und plötzlich stockt es im Netz.

Aber wieso? Die Diskussion dreht sich ja nur um 5G.

Eben nicht und das bereitet mir Sorge. Die aktuellen Einschränkungen wie beispielsweise Moratorien treffen nicht nur den 5G-Ausbau, sondern auch das heutige 4G Netz. Das ist, als würde man sagen: Wir verbieten die Autobahn. Es gibt ja schliesslich auch noch Dorfstrassen, die genügen ja vollends. Das Resultat wären Datenkolonnen und Datenstaus.  

Aber wohl nicht mehr lange.

Genau, und das droht bei 4G. Wir brauchen effizientere “Autobahnen” mit weiteren Spuren. Wir brauchen die Möglichkeit, den Blaulichtorganisationen den Vortritt im Netz zu gewähren. Und wir müssen der Industrie die Möglichkeiten von 5G anbieten, damit sie Robotik aufbauen und Arbeitsplätze in die Schweiz zurückholen kann. Das Bedürfnis nach Mobilfunk steigt Tag für Tag mehr an. Es ist noch lange kein Ende in Sicht. Die Diskussion ist darum auch widersprüchlich.

Wie genau widersprüchlich?

97 Prozent der Haushalte besitzen ein Smartphone. Gleichzeitig haben über 50 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer Bedenken, dass Mobilfunk möglicherweise Auswirkungen auf die Gesundheit haben könnte. Man wehrt sich gegen Antennen, nutzt aber gleichzeitig die Infrastruktur mehr denn je. Der Datenverkehr steigt weiterhin rasant.

Hat Sie der grosse Widerstand überrascht?

Ja und nein. Ähnliche Diskussionen gab es bereits früher. Mit 5G werden ganz unterschiedliche Bedenken in Verbindung gebracht. Gewisse dieser Ängste haben nur im Entfernten mit 5G zu tun. Die Diskussion reduziert sich dann auf die Technologie und nicht darauf, wie wir mit den neuen Möglichkeiten als Gesellschaft umgehen wollen. Viele Menschen sehen aktuell ihren persönlichen Zusatznutzen nicht, sondern sind einfach stark verunsichert.

«Die Diskussionen um Mobilfunk sind äusserst widersprüchlich.»

Urs Schaeppi, CEO von Swisscom

Viele sagen auch: Das Netz ist schnell genug, mehr ist doch gar nicht nötig.

Heute ja, morgen reicht es nicht mehr aus. Der Bericht des BAFU bestätigt, dass die Mobilfunknetze im städtischen Raum am Anschlag sind. Denn der Datenkonsum unserer Kundinnen und Kunden steigt steil an. In den letzten sieben Jahren hat sich das Datenvolumen um den Faktor 40 vervielfacht. Neun von zehn Anlagen können wir mit den aktuellen Rahmenbedingungen nicht ausbauen. Weder mit 4G noch mit der Vollversion von 5G. Stellen Sie sich vor, ein Gesetz würde verbieten, alle Gebäude über 2-Stockwerke zu renovieren.

Hinkt dieser Vergleich nicht? Schliesslich gibt es für die Anfangs angesprochene Basisversion von 5G noch nicht einmal Geräte.

Wie schon gesagt: Wir bauen heute für morgen. Die ersten Geräte, welche diese Basisversion nutzen können, kommen 2020 in die Läden. Unser Netz ist dann bereit. Jeder, der mit 5G surft, surft effizienter und macht damit Platz für andere Mobilfunknutzer.

Weltweit gesehen herrscht um 5G ja ein regelrechter Wettstreit und Swisscom spielt hier ganz vorne mit. Müssten Sie nicht euphorischer sein?

Ich bin überzeugt vom Mehrwert von 5G für die Schweiz. Mit Yposmed haben wir gezeigt, was für die Industrie möglich ist – weil eben der technologische Vorsprung spürbar ist. Dazu zählt für Ypsomed auch 5G. Darum ja: Technisch ist es eine tolle Leistung und ich bin sehr stolz auf meine Kolleginnen und Kollegen. Und nochmals ja: Natürlich würde ich lieber über technische Meilensteine sprechen. Aber diese Begeisterung für die Technik bringt uns nicht weiter, wenn sie bei Menschen Sorgen und Ängste auslöst. Wir müssen aufzeigen, dass es sich dabei um die Weiterentwicklung einer seit Jahrzehnten erforschten Technologie handelt und dass sich das Prinzip und die Exposition nicht verändert. Aber durch seine effiziente, intelligente Fähigkeit eröffnet sie gerade einem Forschungs- und Industriestandort wie der Schweiz viele Möglichkeiten.

Wie geht es weiter?

Wir hoffen auf eine Versachlichung der Diskussion – der bereits erwähnte Bericht des Bafu bietet eine Basis hierfür. Selbstkritisch muss ich eingestehen, dass die Promotion der Industrie weltweit, 5G wäre eine Revolution und nicht eine Evolution, nicht nur förderlich war. Wir bauen vorausschauend aus, wir halten uns an alle Regeln und wir nehmen Bedenken ernst. Heute lautet die Frage: Wieso baut ihr eigentlich? In wenigen Jahren wird sie lauten: Wann baut ihr endlich bei uns? Oder könnten Sie sich heute vorstellen, in Delémont oder Zürich Wiedikon keinen Empfang zu haben?

Kann es effektiv soweit kommen?

Ja, wenn die Angst siegt. Aber ich bin optimistisch. In ein paar Jahren wird jedem klar sein: 5G ist wie der Wechsel von der Glühbirne zur LED. Die LED ist etwas schwerer verständlich – aber sie ist die Antwort auf die Herausforderungen der Zukunft. Und genauso verhält es sich auch mit 5G.

Wer es genau wissen will

Die Basisversion nutzt seit längerem dem Mobilfunk zugewiesene Frequenzen (5G-wide), welche sukzessive für 5G genutzt werden. Diese ermöglichen die Abdeckung in die Fläche und bis zu 1Gbit/s Datendurchsatz. Dazu kommen die im Frühling dieses Jahres neu für den Mobilfunk erschlossene Frequenz (3,5 GHz), die zuvor für TV-Reportagen verwendet wurde. Diese braucht es für die Vollversion. Die ersten Geräte im Shop nutzen lediglich diese neue Frequenz. Sie sind mit 5G-fast gekennzeichnet. Neue Geräte, die sowohl die Basisversion als auch die Vollversion nutzen können, kommen im ersten Quartal 2020 auf den Markt.

 

Die neu erschlossene Frequenz bietet sehr hohe Kapazitäten und Geschwindigkeiten, aber kürzere Reichweiten. Insgesamt sind beide Ausprägungen von 5G effizienter als die Vorgängertechnologien, sowohl punkto Energieverbrauch als auch in der Nutzung von elektromagnetischen Feldern. Um alle Möglichkeiten von 5G zu nutzen, braucht es die Vollversion mit neuer Hardware (5G-fast). Einem schnelleren Ausbau der Vollversion stellt sich jedoch das einmalig strenge Umweltregime in der Schweiz entgegen.



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