Das 200-Seelen-Dorf Bondo im Bergell ist seit rund drei Jahren schweizweit bekannt. Im August 2017 hatte ein Murgang grosse Teile des Orts zerstört. Ausgelöst wurde die Schlammlawine durch einen Bergsturz, der acht Menschenleben forderte. Solche Naturereignisse werden in Zukunft häufiger vorkommen, warnt die Forschung. Ein entscheidender Auslöser dafür ist der Klimawandel.
Weil es in der Schweiz und auf der ganzen Welt wärmer wird, kommt es zu immer heftigeren Unwettern und anderen Naturgefahren. In den Alpen erwärmen sich zudem die Permafrostböden. Das und stärkere Niederschläge lassen Berghänge instabil werden, und es kommt vermehrt zu Felsstürzen und Murgängen. Diese Effekte des Klimawandels gefährden die Bewohnerinnen und Bewohner bestimmter Regionen schon heute ganz konkret.
Liegt an einem steilen Hang loses Material wie Geröll oder Erde, kann sich dieses bei starken Regenfällen in Bewegung setzen und als Murgang ins Tal donnern. Das gefährdet Menschen, aber auch die Infrastruktur. Murgänge reissen Bahntrassen, Brücken, Strassen oder Gebäude mühelos mit. Das Bundesamt für Umwelt hat berechnet, dass von 1972 bis 2019 Sachschäden im Wert von 13.4 Milliarden Franken durch Murgänge oder Hochwasser entstanden sind. Seit 1946 fielen in der Schweiz 24 Menschen Murgängen zum Opfer. Die Effekte des Klimawandels begünstigen solche Naturereignisse. Deswegen werden in Zukunft auch Gebiete betroffen sein, in denen das Risiko für Murgänge bisher eher klein war. Es gilt daher, Menschen und Infrastruktur besser zu schützen.
Deshalb hat Swisscom zusammen mit der ETH Zürich den Smart Nature Screener entwickelt. Das Alarmsystem warnt Betroffene rechtzeitig vor Naturgefahren wie Bergstürzen und Murgängen. Die Lösung erkennt Erschütterungen im Boden oder andere Unregelmässigkeiten in Echtzeit und löst entsprechende Alarme aus. So wäre es beispielsweise möglich, einen gefährdeten Bahngleisabschnitt rechtzeitig zu sperren oder Menschen zu evakuieren.
Damit das System Gefahren unterschiedlicher Natur mit genügend Sicherheit erkennt, braucht es eine Menge verschiedener Daten. Der Smart Nature Screener ist deshalb eine Datahub-Plattform, die Daten unterschiedlicher Quellen sammelt und auswertet.
Erschütterungen im Boden werden von seismologischer Sensorik der ETH, Seismografen des Erdbebendienstes oder IoT Sensoren von Swisscom erfasst und an die Datenplattform gesendet. Zusätzlich besteht die Option Bewegungen im Boden über die Glasfaserleitungen von Swisscom wahrzunehmen. Die Arbeit mit dieser Glasfaser-Analyse-Technologie kann zukünftig eine besonders effiziente Möglichkeit der Datenerfassung darstellen, da das Glasfasernetz ohnehin in der ganzen Schweiz im Boden verlegt ist. Somit bräuchte es weniger zusätzliche IoT-Sensoren, wenn neue Gebiete mit dem Alarmsystem erschlossen werden und theoretisch wird eine flächendeckende Überwachung ermöglicht. Auch Niederschlagswerte der Wetterdienste und Handydaten dienen als Datenquellen für die Plattform. Durch die Kenntnis über sich im Risikogebiet befindliche Personen, kann die Bedrohungslage durch den Murgang besser eingeschätzt und entsprechend reagiert werden.
Die Stärke der Datahub-Plattform liegt in deren Fähigkeit Daten aus verschiedensten Quellen bei Bedarf zu standardisieren und so zu ermöglichen, dass sie mit Hilfe von künstlicher Intelligenz ausgewertet werden können. Die Daten werden über das schweizweit verfügbare Long Range Wide Area Network von Swisscom oder über das Mobilfunknetz übertragen und in Datencentern von Swisscom standortunabhängig und cloudbasiert verarbeitet. Dadurch verbleiben die Daten stets in der Schweiz.
Die Lösung wird aktuell am Illgraben im Wallis getestet. An diesem Gebirgsbach kommt es regelmässig zu Murgängen, die in der Vergangenheit zu Sachschäden führten. Grössere Murgänge können über das Bachbett hinaustreten und so Menschen gefährden. Das Alarmsystem hat Murgänge während der Testphase mit 99-prozentiger Sicherheit in Echtzeit korrekt identifiziert. Der Zeitraum zwischen der Alarmauslösung und der Ankunft des Murgangs an der Kantonsstrasse im Rhônetal betrug bis zu drei Stunden.
Der Mehrwert des Smart Nature Screeners gegenüber herkömmlichen Lösungen ist, dass die Alarme deutlich schneller ausgelöst werden. Dank der Datenvielfalt wird es in Zukunft zudem möglich sein, Ereignisse wie Murgänge zu prognostizieren und entsprechende Massnahmen früher einzuleiten. Nehmen Sensoren zum Beispiel wiederholt seismische Aktivitäten wie Geröllbewegungen in einem Gebiet wahr und sagen die Wetterdienste starke Regenfälle voraus, steigt die Gefahr für einen Murgang. Touristen oder andere Betroffene können informiert werden und Massnahmen treffen. Wanderer hätten für ihre Tourenwahl mehr Informationen zur Verfügung und würden sich bei drohender Gefahr für eine andere Route entscheiden. Realisierbar wäre ein solches Szenario etwa mit einer Warn-App. Risikogebiete würden wegen der höheren Sicherheit für den Tourismus wieder attraktiver und Bewohner können sich wirksam schützen. Mit dem angedachten Ausbau wären Lagebeurteilungen sogar im ganzen Land möglich und könnten Mensch und Infrastruktur vor den Folgen von Naturgefahren bewahren.
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