Filmrechte-Pionierprojekt auf Blockchain-Basis

Hollywood handelt schon bald in der Schweiz

Wenn Fernsehsender Filme kaufen oder eigene Sendungen verkaufen, dann läuft das immer noch wie zu Grossmutters Zeiten. Mit grossen Deals, komplexen Verträgen, langwierigen Verhandlungen. Ein bekannter deutscher Fernsehmacher und Moderator will dieses System nun zusammen mit Swisscom komplett auf den Kopf stellen – auf Basis von Blockchain.

Hendrik Hey gilt mit «Welt der Wunder» als Begründer der leicht verständlichen Wissenschaftssendungen. Aber bei gewissen Problemen ist auch er mit seinem Latein am Ende. Etwa als es unlängst darum ging, einem befreundeten Fernsehsender eine Minute Bildmaterial bereitzustellen. Auf dem Papier ein Wert von 1500 Franken – und doch war er mit Verhandlungen konfrontiert, als ginge es um ein Millionengeschäft. «Da wanderten Verträge hin und wieder zurück, da wurde geändert und nochmals korrigiert, so dass ich versucht war zu sagen: Acht wisst ihr was, nehmt's doch einfach gratis.»

Tatsächlich läuft der Handel mit Fernsehrechten, mit Filmen und Serien, aber auch mit Shows und Produktionsaufträgen immer noch fast ausschliesslich auf analogem Wege. Verhandelt per Telefon, übermittelt per Fax, unterschrieben per Post. Da bleibt die Transparenz schon mal auf der Strecke, da bleibt schon mal ein Passus unbeachtet. Sender und Produzenten beschäftigen darum auch Heerscharen von Lizenzspezialisten und Anwälten, um die Deals zu begleiten. Und um im Anschluss daran die Vertragsbedingungen zu überwachen. Hier liegt nämlich das nächste Problem: Da jeder Vertrag individuell ausgehandelt werden muss, ist auch seine Überwachung entsprechend schwierig.

«Endlich was Interessantes!» Mit diesem Slogan wirbt Hendrik Hey für sein «Welt der Wunder TV». Interessant ist auch sein neuer Ansatz der Rechte-Vermarktung mit Swisscom Blockchain Technologie.
Bild: API Michael Tinnefeld

So darf ein Sender beispielsweise Film A während drei Jahren drei Mal zeigen und nach jeder Ausstrahlung innert sieben Tagen wiederholen – allerdings frühestens um Mitternacht nach der Ausstrahlung. Film B wiederum steht bis Ende des übernächsten Jahres zur Verfügung und darf während dieser Zeit fünf Mal gezeigt werden – wobei jede Ausstrahlung zählt, selbst mitten in der Nacht. Auch bei selbst in Auftrag gegeben Produktionen ist die Situation nicht einfacher. Hier sind es Produktionsfirmen, Regisseure, Moderatoren, Schauspieler, Drehbuchautoren, die teils über eigene Verträge verfügen.

Das führt mitunter zu absurden Situationen, wie ein Beispiel des Privatsenders RTL zeigt. Der möchte schon länger die legendäre Sendereihe «RTL Samstag Nacht» wiederholen, doch schafft es bislang nur, Ausschnitte zu zeigen. Denn: Die Rechte an vielen dereinst eingekauften Gags sind unterdessen ausgelaufen. Kein Witz: Eine einzelne Pointe kann so eine ganze Sendung blockieren. «Darum ist niemand ist mit der aktuellen Situation wirklich zufrieden», erklärt auch Hendrik Hey.

«Egal ob Sender, Produzenten, Studios – alle warten auf eine Lösung, die alle und alles verbindet. Genau da wollen wir ansetzen.»

Und so entstand die Idee, eine Plattform zu schaffen, die alle zusammenbringt. Eine Handelsplattform für Film, Fernsehen und Video, ein «Youtube für Profis», wie es Hendrik Hey umschreibt. Hier sollen sich sogar die verschiedenen Zulieferer einer Sendung zu einer gemeinsamen Produktion verbinden können. «Die Blockchain generiert nicht nur die Verträge, sie überwacht sie auch und verteilt die Einnahmen», erklärt Hey. Das reicht vom Ausstellen des Vertrags, über die Übermittlung des Materials bis hin zur Benachrichtigung, wenn die Lizenz ausläuft. Bezahlt wird direkt mit einer Plattform-eigenen Kryptowährung, dem Micro Licensing Coin (MILC). Weil damit Transaktions- und Wechselkurskosten entfallen, lohnen sich auch schon kleinste Einkäufe von Videomaterial.

Erstmals wird die neuartige Blockchain-Technologie zur Vereinfachung des weltweiten Medien-Lizenzhandels eingesetzt. Diese Industrie macht über 500 Mia. Euro Umsatz jährlich. Tendenz steigend. Bild: Keystone

Entsprechende Erfahrungen gibt es bereits aus der Musikindustrie, bei der Künstler wie Imogen Heap die bisher federführenden Plattenfirmen ausgeschaltet haben und dank Blockchain vom Komponisten bis zum Studiotechniker nun alle involvierten Personen direkt entschädigen. Und so auch höher entschädigen, da die Provision für das Umverteilen der Einnahmen wegfallen.

Für den Anfang aber steht der Vertrieb von fertigen Sendungen und Bildmaterial im Mittelpunkt. Nicht zuletzt auch, weil die Zahl der potentiellen Käufer und Verkäufer markant zugenommen hat: Streamingdienste, Newssites, Unterhaltungsportale und klassische Sender gehören zur Zielgruppe. Auf Seite der Verkäufer könnte sie auch einer neuen Gruppe von kleinen Anbietern die Türe öffnen. Hendrik Hey: «Wenn ich ein gutes Video produziere, kann ich das heute auf Youtube publizieren und erhalte dafür bei einer Million Klicks etwa 15'000 Euro. Künftig aber kann ich das genau gleiche Video auf der neuen Plattform der ganzen professionellen Video- und Fernsehwelt anbieten, das eröffnet ganz neue Chancen.»

Finanziert mit Kryptowährungen: So funktioniert das ICO

Die geplante Filmrechteplattform von Welt der Wunder TV wird ihren Sitz in der Schweiz haben. Das Geld für den Aufbau beschafft sich Welt der Wunder TV aber nicht bei einer Bank oder an der Börse, sondern ein sogenanntes «Initial Coin Offering» (ICO). Diese Art der Finanzierung ist eine Mischung zwischen Crowdfunding und der Ausgabe von Aktien. Für sein Investment erhält der Investor auch keine Aktien, also Firmenanteile, sondern sogenannten "Token". Investoren kaufen die Tokens mit Währungen wie Franken oder Euro, oder auch mit Kryptowährungen, etwa mit Bitcoins oder Ether. Im Fall der Filmrechteplattform heisst der Token "Micro Licensing Coin"(MILC) und ist gleichzeitig das exklusive Bezahlmittel auf der Plattform (siehe oben). Diese berechtigen zum Kauf von auf der Plattform angebotenen Dienstleistungen. Mit anderen Worten: Will dereinst ein Sender auf der Plattform Filmrechte kaufen, wird er den Besitzer der Rechte mit MILC entschädigen. Mit diesem Token kauft dieser nun selbst Rechte ein – oder verkauft oder tauscht sie in Fiat-Währung, wenn er sie nicht mehr benötigt. Der Vorverkauf von MILC startet Anfang Dezember 2017, offizieller Verkaufsstart ist im Januar 2018.

Sowohl das ICO, wie auch die Entwicklung der Blockchain-basierten Plattform selbst, wird von der Swisscom Blockchain AG unterstützt. Das Tochterunternehmen von Swisscom, das im September 2017 gegründet wurde, begleitet und berät Welt der Wunder beim gesamten ICO-Prozess – von der Prüfung der Geschäftsidee bis zur technischen Abwicklung des Coin-Verkaufs. ICOs sind zwar ein junges Phänomen, aber schon sehr erfolgreich. Bei weltweit über 200 ICO's alleine in den letzten 12 Monaten wurden Investitionen im Gegenwert von 3,3 Milliarden Dollar getätigt. Als grösster bisheriger ICO gilt «Filecoin»: Das US Start-up Protocol Labs sammelte für diesen dezentralen Cloud-Dienst über eine Viertelmilliarde Dollar. Swisscom sieht ICOs als eine alternative Finanzierungsform, die einen raschen und globalen Aufbau einer Interessentenbasis und digitaler Ökosysteme ermöglichen. Ein Marktzugang, der gerade Startups und KMUs, grosse Chancen eröffnet. Vorausgesetzt, die bestehende Rechtsordnung und Regulation wird eingehalten und das angebotene Projekt und die Initianten sind vertrauenswürdig. Deshalb lässt Swisscom potentielle ICO-Kunden von einer Wirtschaftsprüfungs­gesellschaft prüfen. In den späteren Phasen des ICO werden spezialisierte Anwaltskanzleien beigezogen, die im Auftrag der Swisscom Blockchain AG und des Mandanten die Rechtssicherheit des ICO sicherstellt.

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