Offener Brief

Das gute, alte Telefon.
Und wieso neue Technologien für die Zukunft wichtig sind.

Urs Schaeppi, 23. Oktober 2017

Es waren eine ganz normale Stricknadel, eine alte Geige, ein Plättchen aus Platin und die Blase eines Hasen, die die Art und Weise, wie wir Menschen miteinander kommunizieren, für immer verändern sollten. Denn genau aus diesen Objekten hat der deutsche Physiklehrer Philipp Reis 1861 die erste Apparatur konstruiert, die in der Lage war, eine menschliche Stimme durch einen Kupferdraht von einem Zimmer ins nächste zu transportieren. Das damals Unfassbare vollzog sich in einer kleinen Fachwerk-Stadt namens Gelnhausen, nördlich von Frankfurt am Main.

Der Tüftler Reis nannte sein Gerät bereits «Telephon». Auch wenn sich diese ungewöhnliche Installation von heute bekannten Telefongeräten stark unterschied, liessen sich mit dieser Vorrichtung dennoch rudimentäre sprachliche Nachrichten übertragen. Allerdings nur in eine Richtung. Wer antworten wollte, marschierte zurück in den Nebenraum und sagte, was er zu sagen hatte.

Ich habe mir einmal selbst die Frage gestellt: «Wenn ich eine Stricknadel, eine alte Geige, ein Stücklein Platin und eine Hasenblase vor mir liegen hätte, was würde ich damit Sinnvolles anstellen?» Ich will es Ihnen verraten: Ich hätte nicht die leiseste Ahnung.

Nun gab und gibt es Menschen, wie den Herrn Reis, die die Fähigkeit besitzen, mit ihren Innovationen die Welt zu verändern. Dazu später.

Was vor fast 160 Jahren im Kurfürstentum Hessen mit vier banalen Gegenständen seinen Anfang nahm, war die Voraussetzung, dass wir heute mit unserem Telefonanschluss telefonieren und sogar surfen können – und das nicht nur daheim, sondern mit unseren Smartphones auch unterwegs. Sogar auf der ganzen Welt. So greifen Sie heute mit hoher Wahrscheinlichkeit täglich mehrmals zum Telefon, um mit Freunden, Kollegen oder der Familie zu telefonieren. Sie lesen mit grosser Wahrscheinlichkeit noch vor dem Frühstück E-Mails, verschicken Sprachnachrichten, konsultieren die Wetterprognosen und organisieren sich in einem Chat für den Bummel in die Stadt. Aber wieso vollzog sich die Entwicklung der Telekommunikation so rasend schnell? 

Wir können nur vermuten, dass die Sehnsucht des Menschen, mit seinesgleichen in Kontakt zu treten – jederzeit und über alle geografischen Grenzen und Distanzen hinweg – so alt ist wie der Traum vom Fliegen.

Kommunikation ist also für unsere Gesellschaft von grösster Bedeutung. Und umso wichtiger ist, dass wir die Entwicklungen der digitalen Telekommunikation mitgestalten und auch von der über 50 Jahre alten, herkömmlichen Telefonie auf die sogenannte IP-Technologie umstellen. Lassen Sie mich das auch mit einem kurzen Rückblick auf die Geschichte erklären.

Es war ein schottischer Gehörlosenlehrer, der 15 Jahre nach Reis das erste marktfähige Telefon entwickelte. Sein Name war Alexander Graham Bell, er wurde steinreich, und die Welt würde nie mehr die alte sein. Zwar gab es eine ganze Reihe anderer Forscher und Entwickler, die mehr oder weniger dieselbe Erfindung für sich reklamierten. Aber Bell war der Erste, der 1876 in Amerika ein Patent auf die Funktionsweise seines Telefons einreichte. 

Das Telefon in der Schweiz

Sechs Jahre später, wir sind inzwischen in der Schweiz, genauer in Bern. In unserer Bundeshauptstadt gibt es 1882 bereits 163 Telefonanschlüsse, aber – zum Vergleich – noch kein einziges Auto. Die Telefonanschlüsse sind zu dieser Zeit mit einer Zentrale verbunden, wo Telefonistinnen die Anrufenden mit den Anzurufenden manuell zusammenbringen. Die Schweiz wurde seit jeher von innovativen Pionieren geprägt. Es sind Leute wie Henri Nestlé, Edouard Sandoz, Henry Dunant oder Alfred Escher, die dem Land einen ungeheuren Innovationsschub verleihen. 1896 ist das Telefon in allen Kantonen der Schweiz eingeführt, und Ende 1900 führt die erste Telefonleitung durch den Gotthardtunnel. Somit ist auch der Kanton Tessin telefonisch an die Eidgenossenschaft angebunden. 

Der Siegeszug des Telefons war nicht mehr aufzuhalten. Bis es sich aber in jeder Familie, oder wie heute, bei praktisch jedem einzelnen Individuum etablierte, sollte noch etwas Zeit vergehen. Um die Jahrhundertwende wurde vor allem in den Städten telefoniert. Und die Nutzung war umständlich. Wer beispielsweise in Bern wohnte und sich über den Gesundheitszustand der erkälteten Cousine in Genf telefonisch erkundigen wollte, musste zuerst eine Umschaltstation anrufen, die die Verbindung zur nächsten Station herstellte, und so weiter. Das ging so lange, bis die anrufende Person in der Zentrale landete. Von dort wurde der Anruf dann wieder über die Umschaltstationen weitergeleitet, bis die Verwandte endlich über den Verlauf der Genesung berichten konnte. 

Was sich für uns moderne Menschen mühselig anhört, muss für unsere Vorfahren eine Revolution gewesen sein. Denn die vorherrschende Kommunikationsform des ausklingenden 19. Jahrhunderts war der Brief oder der Fussmarsch. 

Es ist schwierig, sich heute vorzustellen, wie unsere Ahnen vor den ersten Telefongeräten sassen und ihren allerersten Anruf tätigten.

Kommunikation ist also für unsere Gesellschaft von grösster Bedeutung. Und umso wichtiger ist, dass wir die Entwicklungen der digitalen Telekommunikation mitgestalten und auch von der über 50 Jahre alten, herkömmlichen Telefonie auf die sogenannte IP-Technologie umstellen. Lassen Sie mich das auch mit einem kurzen Rückblick auf die Geschichte erklären.

Die erste Stimme, die sich meldete, war nicht die des erwünschten Familienmitglieds, sondern diejenige des «Fräuleins» in der Umschaltstation oder Zentrale, die fragte: «Was beliebt?» Die anrufende Person musste dann angeben, mit welcher Nummer sie verbunden werden wollte. Ein solcher Verbindungsaufbau konnte, je nach Distanz, einige Minuten in Anspruch nehmen. Die Erfahrung, dann plötzlich die vertraute Stimme eines geografisch weit entfernten Verwandten zu hören, muss enormen Eindruck auf die Menschen der Jahrhundertwende gemacht haben. Und wer weiss, vielleicht gab es auch einige, die den neumodischen Gesprächsapparat schlicht für Teufelszeug hielten. Übrigens: Die Telefonistinnen hatten, durch einen Bundesratsbeschluss aus dem Jahr 1900, ledig zu sein. Heute würden wohl alle ledigen Frauen der Schweiz nicht reichen, um die rund 5 Millionen Telefonverbindungen aufzubauen, die täglich allein im Festnetz getätigt werden. 

Erst Stadt, dann Land

Erst viel später begann das Telefon in der Schweiz seinen Siegeszug auch auf dem Land. Über 50 Jahre blieb es die Norm, dass es in ländlichen Dörfern und zersiedelten Gebieten nur vereinzelte Telefonanschlüsse gab. Doch die Innovationen wurden immer weiter vorangetrieben: 1917 erfolgten in Zürich die ersten Versuche mit Selbstwahltelefonen mit Wählscheibe, und 1926 wurde die erste vollautomatische Zentrale in Bern gebaut. Auch in dieser Entwicklung war die Schweiz weltweit führend. 

So wurde der Schweizer Bevölkerung an der Expo 1964 zum ersten Mal eine Zentrale präsentiert, die den Anrufenden erlaubte, mittels Selbstwahl ins Ausland zu telefonieren. Die ledigen Telefonistinnen waren Geschichte. Von da an ging alles rasend schnell.

Wir sind nun in einer Zeit angelangt, an die sich viele von uns noch lebhaft erinnern können. Das Telefon hatte sich in Familie und Beruf als Kommunikationsmittel etabliert. Wir organisierten unsere sozialen Kontakte und Geschäftsbeziehungen schon über weite Strecken mit dem Hörer in der Hand. Und nun stellen Sie sich einmal vor, jemand hätte Ihnen damals erklärt, dass in nicht allzu ferner Zukunft das Telefongerät selbst die eingehenden Anrufe personalisieren und filtern wird. Dass Sie keinen Unterschied merken, ob Ihr Gegenüber ein klassisches Telefon nutzt oder seine Kopfhörer direkt am Computer angeschlossen hat. Oder sogar, dass die Oma mit ihrer Enkelin per Videoanruf plaudern kann, wenn diese für einen Sprachaufenthalt in Grossbritannien ist. Sie hätten ihn wohl für verrückt erklärt.

Neue Technologien, neue Chancen

Heute, rund 140 Jahre nach der Aufschaltung der ersten Anschlüsse und genau 20 Jahre nach der Präsentation der Marke Swisscom vor den Mitarbeitenden der damaligen Telecom, hat die Schweiz die höchste Telefondichte pro Einwohner auf der ganzen Welt. Und das Land steht vor neuen, wegweisenden Schritten in der Kommunikationstechnologie. So wird die nächste Mobilfunkgeneration 5G voraussichtlich übernächstes Jahr in der Schweiz von Swisscom eingeführt und verspricht wiederum weitere Entwicklungen und Anwendungen, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können. 

5G kommt morgen. Heute modernisiert Swisscom jedoch bereits ihr gesamtes Festnetz und stellt um auf das Internetprotokoll. Nur so kann die Schweiz auch in Zukunft wettbewerbsfähig bleiben. 

Denn die über 140-jährige Festnetztechnologie kann die Anforderungen unserer Geschäfts- und Privatkunden kaum noch erfüllen – und bald schon gar nicht mehr.

Denn nicht nur die Schweiz rüstet auf die neue Technologie um. Weltweit sind Anbieter daran, ihre Netze fit zu machen für die Zukunft. Was würde passieren, wenn wir unser Netz nicht umbauen? Und es so belassen wie bisher? Es würde zunächst einmal bedeuten, dass wir in einigen Jahren keine Ersatzteile und kein geschultes Personal mehr finden, um das Netz am Leben zu halten. Wir würden mit einem veralteten Netz die Schweiz stückweise vom Rest der Welt abhängen und immer häufiger mit Störungen und Ausfällen rechnen müssen. Wir würden, zum ersten Mal in unserer einzigartigen Geschichte der Telekommunikation, einfach stehenbleiben. So gesehen ist der Wechsel von der herkömmlichen Festnetztelefonie auf die IP-Telefonie ein weiterer, entscheidender Meilenstein.

Mehrheit schon mit neuer Technologie

Mehr als 1,8 Millionen Kunden, das sind rund vier Fünftel, nutzen bereits die Vorteile der zukunftsweisenden Festnetztechnologie IP und kommen so zum Beispiel in den Genuss von deutlich verbesserter Sprachqualität, automatischer Namensanzeige und der Möglichkeit, lästige Werbeanrufe auszublenden. Bis Ende 2017 werden fast alle Privatkunden und die Mehrheit der Geschäftskunden auf IP umgestellt haben. Ein Mammutprojekt, das vor über vier Jahren begann.

Ein Jahrhundertprojekt, im wahrsten Sinne des Wortes. Wenn Millionen Kundinnen und Kunden Zugang zu einer neuen Technologie erhalten, dann bedeutet das für die einen oder anderen sicherlich auch Unannehmlichkeiten. Es liegt bekanntlich in der Natur des Menschen, dass er Gewohnheiten nicht gerne ändert oder aufgibt. Vor allem dann nicht, wenn sie, wie das Telefonieren mit einem herkömmlichen Festnetztelefon, während Jahrzehnten verlässlich funktionierte. Es mag wie ein Widerspruch klingen: Aber nur was sich anpasst und verändert, kann gut bleiben. Oder sich verbessern. Denn schauen wir noch einmal zurück. Auch damals, als die automatische Vermittlungsanlage eingeführt wurde, kam es zu Kritik. Aber schliesslich wurde das Telefonieren um einiges einfacher und schneller. Oder bei der Einführung neuer Mobilfunktechnologien: 

Die Technologie UMTS war sehr umstritten, denn niemand konnte sich vorstellen, warum man Daten mit seinem Handy übertragen wollte.

Eine aus heutiger Sicht beinahe absurd anmutende Diskussion, denn heute werden bekanntlich nicht nur Sprache und E-Mails über das Mobilfunknetz ausgetauscht. Ganze Industriezweige wurden durch das mobile Datennetz verändert, und neue Geschäftsfelder haben sich eröffnet. So ist auch die neue IP-Technologie eine ganz wesentliche Grundlage, um die Digitalisierung in der Schweiz voranzutreiben. Um neue Anwendungen zu entwickeln. Und um den Wirtschaftsstandort Schweiz erfolgreich zu halten!

Wir wissen: Die Umstellung auf die neue Technologie war für die meisten Kunden einfach und problemlos. Für einige wenige ist sie mit Umständen und Unannehmlichkeiten verbunden. Wir arbeiten sehr hart daran, diesen Kundinnen und Kunden zu helfen. Das ist mir eine Herzensangelegenheit. Können wir jedem einzelnen Kunden gerecht werden? Ja, wir wollen es! In einzelnen Fällen gelingt es uns vielleicht erst beim zweiten Anlauf – in seltenen Fällen auch einmal nicht. Hier ist es uns wichtig, mit unseren Kundinnen und Kunden das Gespräch zu suchen und gegenseitig Verständnis zu schaffen. 

Entwicklung ist wichtig

Kommen wir noch einmal zurück: Was lernen wir aus dieser Geschichte der Telefonie in unserem Land? Es sind drei Dinge. Erstens: Die Kommunikationstechnologie entwickelt sich in einem rasenden Tempo. Für die Menschen wird die Welt damit nicht komplizierter, sondern einfacher. Während die Telefonistinnen vor gut hundert Jahren die Verbindungen herstellten und die Kunden warten mussten, ist es für uns selbstverständlich, jederzeit diejenige Person zu erreichen, mit der wir uns austauschen wollen – egal, wo auf der Welt sie sich befindet. Zweitens: 

Die Bevölkerung der Schweiz stand den Entwicklungen neuer Technologien – auch der Kommunikationstechnologie – immer neugierig und aufgeschlossen gegenüber.

Das ist ein entscheidender Faktor für die beispiellose Erfolgsgeschichte unseres Landes. Eine gut funktionierende Wirtschaft ohne modernste Kommunikationsmittel ist nicht möglich. Drittens: Eine grosse Zahl von Ingenieuren, Technikern und Informatikern war und ist bis heute vom innovativen Geist eines Philipp Reis beseelt und arbeitet jeden Tag leidenschaftlich an zukunftsorientierten und modernen Kommunikationsmöglichkeiten für unsere Kunden. 

Ein Ende der Entwicklung der Kommunikationstechnologien ist nicht absehbar. Um die daraus resultierenden Chancen nutzen zu können, ist auch der weitere Ausbau der Netze wichtig. Swisscom ermöglicht bis ins Jahr 2021 der ganzen Schweiz Zugang zum Glasfasernetz, das überall schnelles Internet bietet. Auch in den Randregionen. Die Einführung neuer Technologien und der Ausbau des Netzes sind entscheidend, damit die Schweiz auch in Zukunft das wettbewerbsfähige Land bleibt, das sie heute ist. 

Die Grundlage unserer erfolgreichen Schweiz ist seit ihrer Gründung die Fähigkeit zum Austausch und zum Gespräch. Dass Swisscom mit der Zeit geht und die Infrastruktur, die dafür benötigt wird, stetig auf den allerneuesten Stand bringt, ist lebenswichtig für unser Land. 

Die Zukunft birgt viele Chancen. Wir sind gut dafür gerüstet.

Herzlich
Ihr Urs Schaeppi




Der offene Brief von Swisscom CEO Urs Schaeppi wurde am 22. Oktober 2017 in den meistgelesenen Sonntagszeitungen der ganzen Schweiz publiziert.